Western? Von gestern!
Wie die Bärte das Zweifeln lernten - und die Könige der Welt bemerkten, dass sie halt doch nur die Kings Of Leon sind
Caleb Followill fühlt sich wohl. Es ist zehn Uhr morgens in Nashville, der Sänger der Kings Of Leon sitzt auf der Veranda seines Hauses, um den beginnenden Tag zu genießen. Er hat viel nachgedacht in den letzen Monaten. Das dritte Album „Because Of The Times“ ist schon seit April 2006 fertig, doch die Plattenfirma verzögerte die Veröffentlichung – warum, weiß er bis heute nicht. „Wir waren sehr angespannt, weil wir den Verdacht hatten, dass die uns hintenrum abservieren wollten. Mich hätte das nicht gewundert; wir haben keine riesigen Mengen verkauft, und außerdem waren wir ziemlich oft riesige Arschlöcher. Kaum zu glauben, dass wir überhaupt drei Alben hingekriegt haben.“
Ein Schluck aus der Bierdose, einmal tief durchatmen. Caleb Followill redet wie ein betont bodenständiger Southern man, der nicht kompliziert klingen will, sich aber doch so seine Gedanken macht. Vom Kinderkriegen ist die Rede, von Beziehungen an sich und also insgesamt vom Ende der Adoleszenz. „Ich will mit dieser Platte eine Liebesgeschichte erzählen“, erklärt Caleb, „nichts Schmalziges, sondern etwas Reales. Es geht um einen Mann, der eigentlich alles hat: seine Farm, sein Stück Land, das er mit seinen Händen bestellt. Aber er hat keine Frau, mit derer all das teilen kann… Okay, okay, es geht also um mich. Ich habe keine Frau. Ich habe die anderen in der Band beobachtet, wie sie mit ihren Beziehungen klargekommen sind, das Auf und Ab und so. Irgendwie beschäftigt mich das. Ich gehe dann immer trinken, damit ich nicht über mich nachdenken muss.“
Weil die drei Brüder plus Cousin offenbar alle so verfahren, standen die Kings Of Leon während der – natürlich zu langen, zu anstrengenden – Tournee zu „Aha Shake Heartbreak“ mindestens einmal vor dem Aus. „An irgendeinem Punkt haben wir aufgehört, Freunde zu sein“, sagt Caleb, „wir taten Dinge, die der Band Schaden zugefügt haben.“ Während Coldplay an diesem Punkt Tee gekocht haben und in Liverpool Fußballspielen gegangen sind, haben die Kings Of Leon… nichts gemacht. „Wir sind nach der Tour einfach nach Hause gegangen und wieder Freunde geworden.“
Die Musik zur neuen Platte ist die einer Band, die den Übergang vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis schaffen muss. Caleb beschreibt „Because…“ als „extrem risikoreiche Platte“, weil experimentiert wird, weil die direkten Attacken fehlen und viele Lieder bewusst nicht ganz auf den Punkt kommen. Die Zutaten indes bleiben dieselben: Die Kings Of Leon evozieren charmant klobig den Rock der frühen Siebziger, können wie Led Zep klingen oder wie CCR. Manchmal ist es, als würden die Followills durch Schraffuren einen Abdruck zum Vorschein bringen – man weiß gar nicht, wieso man bei diesem oder jenem Akkord plötzlich John Fogerty, Duane Allman oder sonst wen im Kopf hat.
Dass die jungen Propheten im eigenen Land mehr gehört werden sollten, findet auch Bob Dylan. Der lud sich die Kings Of Leon für zwei Wochen ins Vorprogramm und erschien sogar im Backstage-Bereich. „Er sprach mit einem total komischen Akzent, like an old black man from the south, now, und lobte immer ,Transi‘, unser letztes Stück im Set. Man, that’s a hell of a song, hat er immer gesagt. Ich bin fast gestorben.“ Auch mit Pearl Jam waren sie auf Tour, ließen sich von Eddie Vedder auf Hawaii das Surfen beibringen. „Fantastische Erinnerungen“ seien das, sagt Caleb. „Du darfst mich nie betrunken machen, sonst erzähl‘ ich dir Sachen, die ich besser für mich behalte.“ Jetzt wieder durchatmen, die Gedanken schweifen lassen. Followill ist ein bisschen mulmig. Weil die Platte so anders klingt, weil so viel Zeit vergangen und er selbst ein anderer Mensch geworden ist. „Man fängt an zu vermissen, dass die Leute über einen reden“, und aus dem Gefühl wurde ein Stück namens „Fans“. „Ich habe mir nachts eine Flasche Rotwein reingeschüttet und war in meinem Kopf auf einem Konzert von uns, bin durchs Publikum gelaufen, unruhig, irgendwie getrieben. Ich habe Leute gefragt, ob sie noch bei uns sind. Ob wir in Zukunft auf sie zählen können. Es waren ein paar ganz gute Gespräche dabei.“