Werner Herzog hat in „Barbie“ die Hölle gesehen
Der Regie-Exzentriker sah nur 30 Minuten des Films, aber die reichten ihm für ein erstes Urteil.
Kein Film war im letzten Jahr so erfolgreich wie „Barbie“. Greta Gerwigs sanft feministische Kino-Neudefinition der Plastikpuppe spielte insgesamt 1,4 Milliarden Dollar ein und könnte auch bei den Oscars ein Wörtchen mitreden. Inzwischen dürften fast alle den Film gesehen haben, selbst Martin Scorsese ist hellauf begeistert.
Alle? Nicht ganz. Werner Herzog, auch in Hollywood verehrt als exaltierter Extrem-Regisseur, hat lediglich 30 Minuten geschaut und dann abgeschaltet. Das erzählte er dem TV-Moderator Piers Morgan in seiner Sendung „Piers Morgan: Uncensored“.
„Bist du im ‚Barbie‘-Camp oder im ‚Oppenheimer‘-Camp?“, fragte der für Provokationen bekannte britische Fernsehmoderator den deutschen Filmemacher.
„Barbie“: Einmal Hölle und zurück?
Herzog: „Oppenheimer‘ habe ich bisher noch nicht gesehen, aber bei ‚Barbie‘ habe ich es bereits geschafft, die erste halbe Stunde anzuschauen. Ich wollte ihn sehen, weil ich neugierig war. Und ich habe immer noch keine eindeutige Haltung dazu, aber einen Verdacht: Könnte es sein, dass die Welt von Barbie die absolute Hölle ist? Für ein Kinoticket kann das Publikum die absolute Hölle wirklich hautnah miterleben.“
Immerhin deutete der 81-Jährige an, dass er „Barbie“ noch eine weitere Chance geben wird. „Gib mir die Gelegenheit, das komplett zu anzuschauen“, sagte er. Piers Morgan riet ihm allerdings ab und ging sogleich auf Herzogs Höllen-Vision ein: „Erspare dir den Horror lieber“, riet er. „Ich habe den ganzen Film schon gesehen und er ist tatsächlich die Hölle.“
Offensichtlich reden die beiden allerdings aneinander vorbei. Während der Regisseur von „Fizzcaraldo“ und anderen cineastischen Erkundungen des Wahnsinns und menschlicher Ausnahmezustände die in den ersten Momenten von „Barbie“ geschilderte Plastik-Welt offenbar als Verwirklichung einer Unterwelt, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt, inszeniert sieht, empfindet Morgan den emanzipatorischen Ansatz des Films als Film gewordene Höllenvorstellung.
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