Weniger Drama, mehr Coolness: Drei Fragen an Sondre Lerche
Der Norweger Sondre Lerche macht herrlich unaufdringlichen Gitarrenpop. In seiner Heimat Norwegen und in den Vereinigten Staaten überschlagen sich die Kritiker vor Begeisterung. Nun will er mit seinem selbstbetitelten, sechsten Studioalbum auch Deutschland erobern.
Sondre Lerche ist ein Bastler. Er ist in der Lage, stundenlang in seinem Keller über einem Song zu sitzen und an ihm herum zu feilen, bis er sich perfekt anfühlt. Sondre Lerche experimentiert gerne. Trotz seiner sauberen, organischen Popmusik würde er auch gerne mal einen Dance-Track schreiben, zu dem man tanzen kann, bei dem man aber auch in die Tiefe gehen kann und man tatsächlich dem Text zuhören möchte. Sondre Lerche ist ein Norweger in New York. Norweger seien sehr zurückhaltend, sehr gefasst, erzählt er. Es hilft, sich diese Eigenschaften zu bewahren, wenn man in einer verrückten Stadt wie New York lebt.
Diese Kombination – das Leben im big apple und die Coolness eines Norwegers – hilft ihm dabei, diese wundervoll leichten Songs zu schreiben, die sich in die Gehörgänge schleichen und dort einnisten. Wie ein poppiger Brendan Benson klingt er, oder wie ein unamerikanischer Tom Petty. Aus simplen aber äußerst klugen Texten und eingängigen Melodien webt der Norweger seine ehrliche Popmusik. Diese arrangiert er – im Vergleich zu seinen früheren Werken – auf seinem selbstbetitelten Album mit einem ironischen Zwinkern und weniger bombastisch, damit man auch tatsächlich zuhört.
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Und dennoch bastelt er weiter. So bauscht sich auf einmal im Song „Tied up to the Tide“ ein gewaltiger Geräuschteppich auf, mit psychedelischen Gitarren, romantischen Akkordeons und einem zuckersüßen, ungeduldigen Text: “ I don’t wanna wait anymore / I don’t wanna wait till my feet get fixed to the floor / But I’m waiting for you„. Oder in „Go Right Ahead“, wo er im Intro eher folkige Countrygitarren spielt, dann aber in der ersten Bridge fluffige Synthesizer einsetzen und das Lied zu einem energischen Powerpopsong wird. Ab dem 09. September kann man das Album nun endlich auch in Deutschland kaufen. Und es lohnt sich.
Du bist in einer Zeit aufgewachsen, in der die Menschen hauptsächlich Kassetten und Tonbänder hörten und sich gerade an CDs gewöhnen mussten. Wie stehst Du zur digitalen Evolution der Musik?
Ich denke, dass diese Entwicklung ganz natürlich ist und ich will auch nicht dagegen ankämpfen. Als ich ein Kind war, hat man hauptsächlich Tonbänder und Kassetten verwendet. Ich weiß es auch zu schätzen, dass ich Kassetten, CDs und im Nachhinein auch Vinyl – ich höre mittlerweile mehr Vinyl als irgend etwas anderes – erfahren durfte. Ich denke, dass es Luxus ist, all diese Formate zu haben. Man kann natürlich sagen, dass wegen der Digitalisierung das Album an sich an Bedeutung verliert. Dennoch: Wenn man das Album-Format mag, dann wird man weiterhin Alben hören und ich als Künstler werde weiterhin Alben produzieren. Ich mache mir keine großen Sorgen, dass manche Leute nur einen Song runterladen und den dann hören, oder ob sie sich die ganze Platte kaufen. Solange ich meine Musik produzieren kann, ist relativ egal, wie bestimmte Menschen es hören.
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Go Right Ahead by sondrelerche
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Was bedeutet der Aufnahmeprozess eines Albums für dich?
Ich genieße die Zeit nach der Produktion. Wenn alles aufgenommen und abgemischt ist, und die Arbeit getan ist, hat man das Privileg, sie so anzuordnen, dass für dich persönlich Sinn ergibt und dich befriedigt. Wenn man sein Herz und seine Seele in Musik steckt und hart dafür arbeitet, ist es eine Belohnung, sie dann strukturieren zu dürfen. Ich bin monatelang mit Reihenfolge der Songs und diesen ganzen kleinen Dinge besessen und brauche ewig, um das festzulegen. Ich bin wirklich verrückt, was das angeht. Ich kann mich wochenlang mit dem Übergang von einem Song zum nächsten beschäftigen. Es dauert eine Weile, bis ich die perfekte Reihenfolge und auch Auswahl an Songs gefunden habe. Meistens nehme ich mehr Songs auf, als dann schlussendlich auf die Platte kommen. Das neue Album sollte wirklich kurz und präzise sein, maximal zehn Songs. Es war schwer, einige der Songs, die wir bereits aufgenommen hatten, für dieses Album zu verwerfen. Dennoch fühlt es sich einfach richtig an, wenn am Schluss ein kurzes, prägnates Album dabei rauskommt, zu dem eine Verbindung besteht. Natürlich hofft man, dass jemand da draußen sich mit dem kompletten Album identifizieren kann weil es ja so gedacht ist. Trotzdem ist es in Ordnung, wenn man seine eigene Abfolge schafft oder auch nur einen Song davon wirklich hört. Ich habe immerhin die Möglichkeit, das Album so zu veröffentlichen, wie es für mich relevant ist.
Die Arrangements und Songs auf deinem neuen Album sind viel schlichter, wenn man sie mit den Vorgängern vergleicht. War es eine bewusste Entscheidung oder ist dies automatisch im Aufnahmeprozess gekommen?
Es war weniger eine bewusste Entscheidung als ein bewusstes Bedürfnis, die Arrangements schlichter zu gestalten und zu sehen, wie ich mit wenig Drumherum einen großen Sound erzeugen könnte. Ich habe ein paar Alben gemacht, die sehr maximalistisch waren, der „Heartbeat Radio“ war zum Beispiel ein sehr dramatisches Album. Ich wollte eine Kehrtwende machen und versuchen, mich mit einer minimalistischen Einstellung an die Songs anzunähern. Es ist ja nicht so, dass nichts auf dem Album passiert. Die Songs wirken auf mich sehr transparent und intim. Auch die Liedtexte sind persönlicher und beschäftigen sich eher mit Realismus als mit Träumen. Es war schön, nicht so viel Schminke auf die Songs aufzutragen und sie ein schlichteres Kleid zu stecken.
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