Weltoffen

Tom Liwa zum Tod von Songwriter John Martyn

Aus der englischen Folk-Rock-Szene der frühen Siebziger ragen bis heute drei große und grundverschiedene Männergestalten heraus. Die erste, Richard Thompson, ist ein Stoiker. Ein Fels in der Brandung, besser noch ein knorriger, alter Baum, von dem man sich beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass es eine Zeit gab, in der er nicht an seinem Platz stand, geschweige denn, dass er irgendwann verschwindet. Über die zweite. Nick Drake, wissen wir am meisten und am wenigsten. Seine Sensibilität und Zartheit, seine schüchterne Trauer bescherten uns drei unsterbliche Alben fragiler Songkunst und ihm einen frühen und geheimnisvollen Tod. Die dritte im Bunde, John Martyn, ist ihm in diesem Januar gefolgt. Im Alter von 60 Jahren verstarb einer meiner stillen Wegbegleiter – ein stetiger Einfluss, seit ich seine Musik vor vielen Jahren zum ersten Mal hörte in seiner schottischen Wahlheimat an den Folgen eines Herzinfarkts.

Das, was Thompson an Leichtigkeit und Drake an Eiern zuweilen fehlte, besaß Martyn im Übermaß. In seinen Texten, seinem Gesang und seinem unglaublichen Gitarrenspiel trafen Sex, natürliche Spiritualität und weltoffene Warmherzigkeit aufeinander, wie es mir nirgendwo sonst begegnet ist. Wenn ich so richtig fertig war, ging ich nicht zu Richard. Der schien wie der alte Dachs in „Wind in den Weiden“ – immer eher zu sagen „Reiß‘ dich zusammen… und lass mich in Ruhe!“. Nick hatte eh zuviel mit sich selbst zu tun.

John aber machte die Tür auf und nahm mich, ohne dass ich etwas erklären musste, in den Arm. Er gab mir mehr zu trinken, als ich hätte trinken können, und der Abend endete damit, dass wir unterm Sternenhimmel selig feststellten, wie großartig die Welt doch war, egal, wie hoch die Wellen des Chaos auch schlugen. In seinem wie in meinem Leben.

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