Wein, Weib und Gesang – das ‚Heimspiel‘-Festival
Ein Besuch beim Ascot unter den Musikfestivals, an der Riviera von Eltville
Rund 500 Musikfestivals gibt es jährlich allein in Deutschland. Große, kleine, laute und leise. Einige mit elektronischer Musik, andere eher klassisch orientiert. Zu den feinsten seiner Zunft gehört sicherlich das von Gisbert zu Knyphausen kuratierte „Heimspiel“ in Eltville im Rheingau. Auf dem Weingut seiner Familie versammelt der Singer/Songwriter befreundete oder zumindest handverlesene Gäste. Am letzten Wochenende war es wieder soweit. Etwa 2.500 Fans lassen sich an zwei Tagen von der Sonne und einer moderat ausgesteuerten Soundanlage verwöhnen.
Wenn man sich am Nachmittag die Picknickdecken und kecken Hütchen der jungen Damen so anschaut, kommt irgendwann der Vergleich mit Ascot oder Longchamp auf. Kein Gedrängel und Geschiebe, keine Drogenopfer, kein Besoffski-Gegröhle auf dem grünen Rasen. Der lässig mit rot-weißem Flatterband abgesperrte „Backstage“-Bereich liegt gleich hinter dem hauseigenen Flaschenweinverkauf. Auch die Auswahl an Speisen und Getränken kann sich sehen lassen. Auch wenn auf Anweisungen des Patrons keinerlei Bier (!) gezapft wird, sondern ausschließlich Wein, Sekt und Unalkoholisches. Die Uferzone am nahen Rhein heißt übrigens „Eltviller Reviera“. Urlaubs-Atmo im Hessenland.
Den Auftakt macht die „Heimspiel Hoffnung“; eine aus zig regionalen Bands ausgewählte Nachwuchscrew. In diesem Jahr gehen die Geschwister Sarah und Julian Muldoon aus Aschaffenburg ins Rennen. Die beiden erzeugen mit ihren federleicht schwebenden Popsongs eine mild-beswingte Stimmung. Elfengleich sitzt Sarah Muldoon am E-Piano und singt leise Weisen. Festivalmacher Knyphausen hat in seiner kurzen Begrüßung den fast schon familiären Charakter betont. Mit den Muldoons wird das direkt zu Anbeginn deutlich. Der Hamburger Liedermacher Olli Schulz lässt sich vom Knyphausen am Bass begleiten. Alles fließt im Flow seiner Reime. Als schließlich Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi gegen Viertel nach Neun eine Art mellow-HipHop-Crossover liefern, ist das Höchstmaß an Action und Aufregung auch schon erreicht. In Eltville sitzen die Menschen an Bierbänken zwischen Rebstöcken. Da ist kein übermäßiger Krawall gefragt.
Auch am nachfolgenden Sonntag bleibt es besinnlich. Die iranische Band Pallett, die Gisbert zu Knyphausen über Engagement beim Goethe Institut in Teheran kennen- und schätzen gelernt hat, verknüpft ehr melancholische Songs mit einer Art mittelöstlicher Stimmungsfolklore. Auch hier steigt Meister Knyphausen, der gemeinsam mit der Band Stücke im Iran eingespielt hat, mit auf die Bühne. Ins Abendrot hinein beschließen dann Die Höchste Eisenbahn und schließlich noch einmal Knyphausen und die Kid Kopphausen Band eine wunderbare Open-Air-Sause.
Schade nur, dass das „Heimspiel“stets im Vorfeld ausverkauft ist. Und das Weingut, weil es ja im wahren Leben ein echtes Weingut ist, auch keineswegs ausgeweitet oder größer gemacht werden kann. Darauf einen „Knippi“, den beliebten, leichten Sommerweißwein des Hauses – Prost!