Wehmütige Reminiszenzen aus dem amerikanischen Südwesten: Rich Hopkins
Er will diesen braunen Schatten auf seiner Welt. Erinnert ihn an die Wüste, sagt er. An alte Fotos von Siedlern, Goldgräbern, Western Towns. Wenn der braune Schatten mal nicht da ist, weil er seine hoffnungslos unmodische Sonnenbrille wieder irgendwo verlegt hat, wird Hopkins nervös. Kneift die Augen, blickt hilflos in die Gegend, tapert unsicher wie ein alter Mann. Am Ende bekommt er auch noch Kopfschmerzen.
„El Paso“, Rich Hopkins‘ aktuelles, beim Roots-Label Blue Rose Records erschienenes Album, klingt irgendwie nach dieser Brille. Nach verschmiertem Sepiabraun, Dunstschleiern vor der Sonne und Sandkörnern vor der Optik. Eigentlich Schwachsinn, dieses Album noch „Desert Rock“ zu nennen, bloß weil Hopkins in Arizona lebt und mit den Sidewinders bzw. Sand Rubies in den 80er Jahren einer der Wegbereiter dieser Musikrichtung war. Trotzdem kann man sich nicht vorstellen, daß so etwas einem Musiker einfallen könnte, der im 35. Stock eines anonymen Wolkenkratzers in Manhattan lebt.
Erst einmal: ein Klasse-Album, dieses „El Paso „. Krachender Rock, zeitlose Balladen, mit Nackenhaar erigierenden Mollpassagen, aus dem Tritt geratenen Rhythmen und wirren psychedelischen Gitarren-Kreisereien (und – ähem „einem hidden track, nämlich „Widow Black“, der aus nichts als einem nur halbherzig getrommelten Drum-Pattern und ein paar Sekunden Kreischgitarre besteht). Früher mag man sich gewundert haben, warum um alles in der Welt Rich Hopkins‘ „Dirt Town“ (l994) in einer Rubrik mit Neil Youngs „Sleeps With Angels“ rezensiert wurde, mittlerweile weiß man: Die hatten recht.
„El Paso“ klingt stellenweise so sehr nach Neil Young, daß man nur noch auf die Näselstimme des Meisters wartet. Das fangt bei den Titeln an („Broken Man“, „White Powder Ma“) und fuhrt wie ein Faden zum Sound der Hopkins-Begleitband Luminarios: übereinandergelegte, rastlose Feedback-Gitarren respektive offene Akkorde auf der Akustischen, sphärisch irgendwo im Mix herumirrende Stimmen, nicht zuletzt die verlassen klagende Mundharmonika. Nee, sagt Rieh: Das sei kein Epigonentum. „Wir haben uns eben nur in der gleichen Richtung entwickelt. Vielleicht sind wir uns auch ähnlich.“ Vielleicht.
Inhalte? Wehmütig-bittere Blicke ins amerikanische Kollektiv-Gewissen („Nacodoches“ – remember „Pocahontas“?), komplizierte Beziehungskisten („Apology“), die Angst des Mannes vorm Älterwerden und der Zukunft überhaupt, die Frage nach dem Sinn des täglichen Arschaus-dem-Bett-Kriegens: Einfach hat er’s nicht, der Rich Hopkins. „Ich frag mich jeden Tag, wie das weitergehen soll. Caged like a rat, a prisoner in disguise. Und jeden Abend bin ich glücklich.“ Oh je.
„I’m stuck here in El Paso, El Paso’s where I’ll die“, singt der Mann, der im schöneren Tucson wohnt, in einem Häuschen draußen in der Wüste, mit Frau und Tochter und dem MC5-Bassisten Michael Davis im Nachbarhaus. Keine Ahnung, was ihn so an El Paso fasziniert, der heruntergekommensten Stadt im ganzen amerikanischen Südwesten. Vielleicht die Legende, der Mythos und das morbid-abgefuckte Flair einer Grenzstadt. Es gibt, zumal nach dem Tod von Townes Van Zandt, noch eine Menge vom Unbehaustsein zu erzählen. Vielleicht aber sieht die Stadt durch seine Brille auch einfach anders aus.