Weder Witz noch Wahrheit: US-Publizist Daniel Radosh nennt fünf Gründe, warum die amerikanische Linke auch sehr gut ohne Michael Moore auskommt
1989 haben wir in den USA ihm ja noch verziehen, dass er in „Roger & Me“, seiner Dokumentation über General Motors und die Stadt Flint, eher nachlässig mit den Fakten umging. Schließlich diente das Ganze einer größeren Wahrheit, und als gute Liberale wollten wir eine so eigenwillige populistische Stimme unterstützen. Wichtiger noch: Der Film war klug und ausgesprochen lustig.
Drei Jahre später kam „Pets Or Meat“, das Gleiche in grün. Als er dann „Canadian Bacon“ nachschob, taten wir höflich so, als wäre der peinliche Flop nur ein unglücklicher Ausrutscher. 1994 guckten wir dann alle „TV Nation“. Typische Kritikerstimme: „die beste Fernsehsendung der letzten 30 Jahre“. Nicht wirklich. „TV Nation“ wurde (zweimal) eingestellt, aber Moore kam mit einem Buch zurück, „Downsize Thisl“, bestenfalls mittelmäßig, dann: „Stupid White Men“, „Bowling For Columbine“, „Dude, Where’s My Country?“… naja, Sie kennen die Masche. Fünf Gründe, warum die amerikanische Linke sehr gut ohne Michael Moore auskommt.
1. Roger And Me, Me, Me, Me!
Das erste Alarmsignal war, dass „Pets Or Meat“ vor allem davon handelte, was für ein toller Film „Roger & Me“ doch gewesen sei. 1996 schrieb Moore vier Kolumnen mit dem Titel „Media Matters“ für die Zeitschrift „The Nation“, die klar machten, welche Medienerzeugnisse erfür bedeutsam hält: Die erste erwähnte gleich im ersten Absatz sein Buch „Downsize This!“ und beschäftigte sich danach sowohl mit „Roger & Me“ als auch mit „Canadian Bacon“. Die zweite Kolumne hatte ausschließlich „TV Nation“ zum Thema, die dritte erwähnte wieder im ersten Absatz „Downsize This!“ und behandelte dann ausführlich die Promotiontour zum Buch.
2. Karl war nicht der lustigste Marx Brother
Michael Moore hat eine phänomenale Gabe: Er bringt Leute dazu, sich vor laufender Kamera zum Affen zu machen. Das ist oft zum Brüllen, aber nicht perse. Wenn man’s übertreibt, wird es zum Bumerang – wenn nämlich die Zuschauer merken, dass der Anzugtyp da vor dem Kamera nicht wirklich so bescheuert ist – er kommt nur so rüber, weil Michael Moore sehr gekonnt dafür sorgt. Und wenn Moore selbst mal richtige Witze reißt, wird klar, dass er als Komiker schockierend schlecht ist. In einem Buch amüsiert er sich sogar über „den Typen, der das kleine silberne Band erfunden hat, das man nicht von der CD-Hülle abkriegt“.
Hey Mike, ein Thema für dein nächstes Buch: die Erdnusspäckchen im Flugzeug, die man so schlecht aufbekommt. Garantierter Brüller.
3. Schwarze Hubschrauber über Flint
Haben Sie „Canadian Bacon“ gesehen? Ich auch nicht. Aber jeder, der ihn gesehen hat, wird Ihnen sagen, dass diese Antikriegs-„Komödie“ ihren Misserfolg mehr als verdient hat. Moore sieht das natürlich anders. Er glaubt, das Studio, PolyGram, habe den Film absichtlich floppen lassen. Wie er in der „Nation“ schrieb: „Sie testeten den Film vor einem ausschließlich weißen Publikum, und zwar ausgerechnet in der Nähe von Simi Valley/Kalifornien (wo die „Ronald Reagan Presidential Library“ steht). Und jetzt raten Sie mal. Eben: Das Publikum hasste den Film! Genau. Reagan ist schuld. Und warum sollte PolyGram seinen eigenen Film gezielt versenken? Weil die Firma „dem holländischen Philips-Konzern gehört, einem Waffenhersteller“.
4. Freund der Arbeiter
Aus Artikeln und aus Gesprächen mit einigen seiner ehemaligen Angestellten weiß ich, dass Moores Büro keineswegs eine „Nonstop-Rock’n’Roll-Party für das Proletariat“ ist, wie er behauptet. Autoren von „TV Nation“ klagen, Moore habe sie vom Eintritt in die Gewerkschaft abhalten wollen – obwohl er in seinem Buch ein ganzes Kapitel lang darüber schreibt, wie er seine Rechercheure gewerkschaftlich organisieren wollte. Als die Autoren schließlich doch eingetreten waren, benötigten sie die Hilfe der Gewerkschaft tatsächlich – um Honorare einzutreiben, die Moore nicht zahlen wollte.
5. Mann des Volkes? Ja, klar.
Man lese ein beliebiges Interview mit Michael Moore irgendwann wird er unweigerlich betonen: „Ich hab mich seit ‚Roger & Me‘ nicht verändert. Ich besitze immer noch nur drei Paar Jeans und eine .Detroit Tigers‘-Kappe.“ Es ist essenziell für sein Selbstbild, aber das ist er schon lange nicht mehr. Selbst wenn er behauptet, er habe früher „nie mehr als 17 000 Dollar im Jahr verdient“, vergisst er stets die 58 000 Dollar Entschädigung, die er nach seiner Entlassung von „Mother Jones“ bekam. (Die Zeitschrift sagt, Moore sei inkompetent gewesen. Moore sagt, die Herausgeber hätten sich gegen ihn verschworen.) Man würde ihm den Erfolg ja gönnen, wenn er nur nicht so snobistisch auf seinem Arbeiterklasse-Dasein herumreiten würde. Wirklich traurig ist aber, dass Moore von seinem Image vor allem deswegen so abhängig ist, weil er sonst keine Ideen hat. In der Zeitschrift „Might“ beschrieb er seine Agenda so: „Wir müssen die Arbeiterschicht wissen lassen, dass wir uns nicht für was Besseres halten.“ Und dann: „Rap und Country – das sind die Stimmen der Benachteiligten“, erklärte er einem Uni-Publikum. „Ich weiß, die Musik nervt, aber wollt ihr nicht ein bisschen was aushalten, um mitzukriegen, was in den Menschen vorgeht?“ Nicht dass wir besser wären als die anderen oder so…