Was soll der Hype um den „Tagesthemen“-Schlusssatz?
Ingo Zamperoni ist der Neue bei den „Tagesthemen“ - und sucht verzweifelt nach einem Gute-Nacht-Spruch. Den sollen nun ausgerechnet die Zuschauer finden.
Seit nun einer Woche hat die ARD einen neuen „Tagesthemen“-Moderator. Ingo Zamperoni ist den meisten Zuschauern allerdings schon sehr vertraut. Mehrere Monate lang fungierte der 42-Jährige als jugendlich-charmante Aushilfe, bis es ihn als Korrespondent nach Washington verschlug.
Böse Zungen behaupteten, dass ihn sein Sender nur deshalb schnell dorthin verfrachtete, weil er ansonsten der erste Sprecher der ausführlichen Nachrichtennachbereitung gewesen wäre ohne anständige Korrespondentenerfahrung. Da war noch gar nicht bekannt, dass der Moderator es werden würde – und doch blieb die Personalie stets ein offenes Geheimnis.
Nun ist Zamperoni dort, wo er selbst möglicherweise immer hin wollte und wo ihn der öffentlich-rechtliche Sender gerne sieht. Denn der gebürtige Wiesbadener mit den italienischen Wurzeln soll das wankelmütige, vom Smartphone ständig abgelenkte junge Publikum mit Witz, Verve und Leichtigkeit an den Sender binden. Deshalb hat der Wechsel vom altgedienten Anchorman Thomas Roth zum News-Showman Ingo Zamperoni auch eine symbolische Dimension. Zamperoni hat die Aufgabe, lächelnd die Welt zu erklären und dazu vielleicht noch Angebote für einen guten Rotwein zur späten Stunde zu machen.
Alle großen „Tagesthemen“-Sprecher hatten einen
Aber was für ein Problem kommt nun auf den Neuen zu: 15 Jahre lang schickte Ulrich Wickert sein Publikum in eine „geruhsame Nacht“ und Thomas Roth wünschte stets freundlich, dass man „gut durch die Nacht“ kommen möge. Zamperoni will nun auch einen fröhlichen Spruch, den man auch in zehn Jahren noch mit ihm verbindet. Er war aber erstaunt, als Caren Miosga ihm unlängst mitteilte, dass seine Vorgänger sich die Schlusssätze gar nicht selbst ausgedacht hatten. Derart vom kreativen Druck befreit, sucht der Moderator nun öffentlich (z.B. über Twitter und den Hashtag #schlusssatz) nach einem geeigneten Kandidaten. Das scheint aber schwerer zu sein als erwartet.
Bisher war noch kein geflügeltes Wort dabei, dass ohne Weiteres annehmbar wäre. Zuschauer-Vorschläge wie „Möge die Nacht mit Ihnen sein“ bis „So zerbröselt der Keks nun mal“ scheinen eher das Dilemma auf den Punkt zu bringen, dass Seriösität und Authentizität ohne ironische Seitenlage zur Zeit schwer zu haben sind. Zamperoni gab dies dann auch bereits in der letzten Nachrichten-Ausgabe der vergangenen Woche zu. Dabei hatte das „Streiflicht“ von der Süddeutschen Zeitung schon den perfekten Vorschlag auf Lager: „Ich habe das Meinige getan, tun Sie das Ihre.“
Nachrichten sollen immer unterhaltsamer werden
Interessant ist trotzdem, warum Deutschland sich Gedanken macht, was der Moderator einer öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendung, die das Zeitgeschehen nicht nur akkurat abhandeln, sondern wenn möglich auch erklären soll, als rhetorisches Betthupferl mitliefern muss. Hat Deutschland denn keine anderen Sorgen?
Die eher unfreiwillig komische Suche nach einem geeigneten Schlusssatz offenbart, dass es der ARD vor allem darum geht, ihre Informationsformate noch ein wenig mehr in Richtung Unterhaltungssendung abbiegen zu lassen. Mit nur leidlich komischen Parodien von „Carpool Karaoke“ und „Zurück in die Zukunft“ versucht man eben mit dem Strom zu schwimmen.
Ob das letztlich aber der Vertrauenswürdigkeit und Aufrichtigkeit zugute kommt, die das wichtigste Kapital der gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Nachrichten sind, darf dabei gerne bezweifelt werden.