5 Gründe, warum „Twin Peaks“ erneut TV-Geschichte schreibt

„Twin Peaks: The Return“ ist mehr als nur eine Fortsetzung der kultisch verehrten Mystery-Reihe aus den 90ern. Mit im TV bisher nie gesehenen Bildern und einer atemberaubenden erzählerischen Freiheit definiert David Lynch noch einmal neu, was das Serienfernsehen zu leisten in der Lage ist.

3. Das ist nicht Fernsehen, sondern Kino!

Jetzt wissen wir auch, warum David Lynch zwischenzeitlich aus dem Projekt aussteigen wollte, als Showtime ihm verriet, welches Budget er tatsächlich für die einmalige Rückkehr ins „Twin Peaks“-Universum bekommen sollte. Ein Glück nahm der Sender dann doch ein paar Dollar mehr in die Hand – wenngleich sich dies zumindest nicht mit hohen Einschaltquoten auszahlen wird.

Hier geht es eben nicht um eine Fernsehserie, die ein Maximum an Profit herausholen soll oder auf weitere Seasons schielt. „Twin Peaks: The Return“ ist echtes Kino in Serienlänge. Das liegt nicht nur an den fantastischen Bildern von Peter Deming (der auch schon „Mulholland Drive“ fotografierte), sondern an dem Anspruch, eine Geschichte zu erzählen, die keine Rücksicht auf die Sehgewohnheiten eines TV-Publikums nehmen muss. Lynch sprach in diesem Zusammenhang davon, dass „Twin Peaks“ zwar im Grunde auf der großen Leinwand abgespielt werden sollte (und bloß nicht auf einem Smartphone!), idealerweise aber auch auf einem Fernseher mit Kopfhörern.

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Das hat den Grund, dass der Regisseur – seit jeher ein Sound-Künstler, in früheren Filmen unterstützt vom genialen Alan Splet – viel Aufwand betrieb, um eine akustische Erfahrung der Sonderklasse zu schaffen. Das Fernsehen schert sich um den Ton ja, anders als das Kino, eher selten. Überraschend, dass ausgerechnet die ikonische Musik von Angelo Badalamenti zurückstecken muss, doch sie bekommt ihren subtilen Raum auf ganz andere Art als in den ersten beiden Staffeln, wo noch als atmosphärischer Marker funktionierte. Statt Aha-Moment mit bewusster Reinszenierung der bekannten Musikthemen bleibt das musikalische Repertoire spannungsgeladen offen. Genauso wie jene Musikauftritte von Bands und Musikern in der Bang Bang Bar. All dies hat seinen eigenen Platz, darf für sich stehen und dient nicht verzweifelt einer Geschichte, die bestimmte Emotionen bei den Zuschauern auslösen will.

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Wichtig dürfte David Lynch vor allem aber auch gewesen sein, dass das Fernsehen – zumal im Pay-TV und bei den Streaming-Giganten – bereit ist, für eine erwachsenere Darstellung der Welt. Die Kunst dieses Regisseurs lässt sich nicht mit einer PG-13-Freigabe vereinbaren, zu sehr lebt sie von der Thematisierung und expliziten Veranschaulichung von Grauen, Gewalt, Sexualität, Perversion und – das dürfte noch wesentlich schwerer zu ertragen sein – formaler Experimentierwut. Schon in den ersten Folge wurde blutrünstig gemordet, ein Jodorowsky-Zwerg durfte später tollkühn die Pistole schwingen (bevor Dougie ihm, angetrieben von einer surrealistischen Lynch-Figur par excellence, den Garaus machte).

All das schwebte bereits über „Fire Walk With Me“, weswegen Lynch nicht nur von Kritikern, sondern vor allem auch von dem mit der Serie erkämpften neuen Fan-Kreis die Hucke voll bekam. Schon zu „Wild At Heart“-Zeiten interpretierte der inzwischen 71-Jährige, dass den Zuschauern vor allem die Konfrontation von Kitsch und Gewalt zu schaffen mache. Genau diese „Ereignisse“, die trotz ihrer deutlichen Andersartigkeit möglicherweise im Gehirn trotzdem in derselben Region verarbeitet werden, kombiniert Lynch mit Vorliebe, natürlich auch in „Twin Peaks: The Return“. Das Unbehagen bleibt auch 2017. Es erzählt viel über unseren (durchaus mit zweierlei Maß diskutierten) Medienkonsum.

Fast jede Folge ist aber auch eine Verneigung vor den großen Bildern der Filmgeschichte. Nicht zuletzt auch als Referenz an die Filme von Lynch selbst. Im Netz haben sich zahlreiche Zuschauer über die scheinbar billig produzierten Spezialeffekte lustig gemacht. Das Budget hätte ganz sicher wesentlich realistischerer CGI-Effekte möglich gemacht. Doch darum ging es Regisseur Lynch ersichtlich nicht. Stattdessen spielt er mit den durchaus altmodischen Bildeffekten auf Konstruktionen aus seinem eigenen Werk an (auf abstrakte Lynch-Fotografien wie zum Beispiel die Serie der „Distorted Nudes“, die auch in der Wanderschau „Dark Splendor“ zu sehen war, wird relativ direkt referiert) und erinnert an die großen Meisterwerke des surrealistischen Kinos. Fragmentarität und Imperfektion sind ja geradezu Kennzeichen für die surrealistische Betrachtung der Welt.

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„Twin Peaks: The Return“ hat, das sollte nun klar sein, mit den ersten beiden Staffeln und den freundlich-versponnnenen Marotten seiner zahlreichen Figuren wenig gemeinsam. Stattdessen knüpft diese Serie an „Eraserhead“ und die experimentellen Kurzfilme David Lynchs („Six Men Getting Sick“, „The Alphabet“, „The Grandmother“) an. Kurz gesagt: Das Serienevent ist mehr für Lynch-Aficionados als für „Twin Peaks“-Anhänger.

Seite 4: David Lynchs Schwanengesang (?)

Showtime
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