Warum „Patience“ von George Michael eines der besten Abschiedsalben aller Zeiten ist
Der 41-Jährige hätte nicht ahnen können, dass „Patience“ sein Vermächtnis werden würde.
Auf der Berlinale stellte er 2004 frohen Mutes seine Filmbiografie „A different Story“ vor, einen Monat später sein erstes Soloalbum seit acht Jahren. Über seine Langsamkeit im Studio, die immer längeren Abstände bis zur nächsten Platte, machte er Witze. Dem Vorgängerwerk gab er mit „Older“ noch einen selbstreferenziellen Titel, nun bedankte er sich für unsere „Geduld“. Zwölf Jahre würde George Michael danach noch leben. Der 41-Jährige hätte nicht ahnen können, dass „Patience“ sein Vermächtnis werden würde.
Dabei finden sich auf diesem Album Spuren eines Alterswerks. Mit dem House von „Flawless (Go To The City“) erzählte Michael vom Traum des Vorstadtteenagers, den McJob hinzuschmeißen und nachts durch Downtown zu ziehen; die Techno-Rhythmen sind der Trabantenstadt-Stimmung angemessen.
Die Balladen erzählen von Schmerz und dem zum Scheitern verurteilten Versuch eines Lebens ohne Bürde. Erstmals singt er vom Suizid seines Onkels, begangen am Tag von George Michaels Geburt („My Mother Had A Brother“), er berichtet von seiner Kindheit als Sohn eines griechischen Einwanderers („Round Here“), vom Aids-Tods des Partners („Please send me someone“), und, ein Thema seit Wham!-Tagen, der Zweifel am Wert, den Popstars für die Gesellschaft haben („John And Elvis Are Dead“).
Im „Shoot The Dog“-Cartoonvideo parodiert er Tony Blair und George W. Bush, gegen deren Irakkrieg er sich positionierte. Es ist sein wichtigster politischer Song, und George Michael war bereit, seine Karriere zu riskieren – öffentliche Kritik an der britischem Nahostpolitik erzürnt die Yellow Press. In seinem vormals zweitwichtigsten Markt, den USA, wurde er nach seinem Coming-out 1998 längst boykottiert.
Heute findet sich keines der zwölf „Patience“-Lieder, geschweige denn eine der sechs Singles-Auskopplungen auf den vorderen Plätzen von „Best of George Michael“-Rankings. Leider. Denn auf keinem anderen seiner Alben hat er sein Leben so konzentriert zusammengefasst. Mit der Pianoballade „Through“ eröffnete er bis zuletzt seine Konzerte, es schien, dass er für die darauffolgenden zwei Stunden eine Last von sich abwerfen wollte: „Is that enough? I think it’s over / See, everything has changed / And all this hatred may just make me strong enough / To walk away.“
In einem anderen Albumsong, „Precious Box“, heißt es: „Have I a family? I guess not/ Because no one comes in the morning/ No one comes in the evening time.“
Zuletzt war er einsam. Am ersten Weihnachtsfeiertag 2016 wurde der „Last Christmas“-Sänger leblos in seinem Bett aufgefunden.