Warum ist sie nie gegangen? Patrick Stewart über häusliche Gewalt in der Kindheit
Patrick Stewart redet nun offen über seinen gewalttätigen Vater und dessen Opfer, seine Mutter.
Das Gesicht des britischen Schauspielers Patrick Stewart kennt man wohl vor allem aus „Star Trek“ – der Serie, in der er seit dem Jahr 1987 als der Charakter Jean-Luc Picard auftrat, der unerschrockene und starke Kommandant eines Raumschiffs. Ganz anders nimmt man den heute 84-Jährigen in der im November 2024 veröffentlichen Dokumentation „Her Majesty the Queen: Behind Closed Doors“ wahr, in der er offen über seinen gewalttätigen Vater, die verspürte Scham und die psychische Belastung von häuslicher Gewalt redet.
„Das Geschrei war so laut“
„Her Majesty the Queen: Behind Closed Doors“ ist ein neuer Dokumentarfilm, produziert von ITV, in der die amtierende Königin Camilla bei ihrer Arbeit, das Bewusstsein für häusliche und sexuelle Gewalt zu schärfen, begleitet wird. Dabei lässt sich auch Opfer zu Wort kommen – so auch Patrick Stewart.
Man sieht einen älteren Mann vor der Kamera sitzen, doch wenn der Schauspielveteran über seine Kindheit spricht, scheint es so, als würde wieder ein kleiner verletzlicher Junge sprechen: „Das Geschrei war so laut, weil er eine kräftige Stimme hatte. Ich schrie meinen Vater an, er solle aufhören, wenn er meine Mutter immer und immer wieder schlug.“
Kinder zwischen den Fronten
Der 1940 geborene Patrick Stewart kennt die ersten Jahre seiner Kindheit seinen Vater nicht, dieser befindet sich damals nämlich im Krieg. „Mein Leben mit meiner Mutter und meinem Bruder war perfekt. Wir kamen gut miteinander aus. Es gab keinen Streit, kein Geschrei, keine Aufregung und nichts dergleichen. Es war einfach wunderbar“, so der Mime im Gespräch. Und weiter: „Der Krieg endete 1945, und als mein Vater nach Hause kam, war ich sechs Jahre alt, und es war schrecklich.“
Ab da an änderte sich die Kindheit von dem jungen Patrick Stewart und dessen älteren Bruder Trevor. Die Brüder waren alert, hörten sie Geschrei, wurden Experten darin zu erkennen, wann die Gewalt wieder anfangen würde. „Wir stießen die Tür auf und stürmten ins Zimmer, und mein Bruder Trevor, der größer war als ich, drängte sich zwischen meinen Vater und meine Mutter, sodass er sie nicht erreichen konnte, und sie schrie: ‚Nein, nein, nein, bitte. Ihr müsst mich nicht beschützen.‘“
Selbst die Nachbarin griff ein
Doch nicht nur die zwei Jungen griffen ein, auch die direkte Nachbarin schritt zur Tat. „Ich werde nie vergessen, wie unsere Nachbarin von nebenan ins Haus kam, die Tür aufbrach, als mein Vater schrie, und zu meinem Vater hinüberging, die Ärmel hochschob, die Fäuste hochhielt und sagte: ‚Komm schon, Al Stewart, probiere es mit mir. Probiere es an mir aus.‘ Und natürlich tat er es nicht. Er hat sie nicht berührt. Er ist weggegangen.“
Die Kinder fasste der Vater nie an. Patrick Stewart erzählt von Geschrei und hier und da einer erhobenen Hand, doch zugeschlagen hatte der Vater nie. Die ganze Gewalt konzentrierte sich immer auf ein Opfer, auf Patricks Mutter. „Das rechtfertigt nicht, was er getan hat, nicht im Entferntesten.“
Expert:innen erklärten später, dass das gewaltsame Verhalten des Vaters ein Ergebnis von nie aufgearbeitetem Kriegstraumata war. „Er wurde nie gegen das behandelt, was wir heute als posttraumatische Belastungsstörung bezeichnen. Ihm wurde nie geholfen. Wenn ich mit Experten darüber spreche und ihnen das Verhalten meines Vaters zwischen meinem fünften und meinem fünfzehnten Geburtstag beschreibe, sagen sie, das seien klassische Symptome von jemandem, dem nie geholfen wurde“, erzählte Patrick Stewart 2018 während eines Interviews bei der „Loose Women“-Show.
Dem „Star Trek“-Schauspieler fällt es immer noch schwer zu verstehen, warum seine Mutter seinen Vater nicht verließ. Selber sagt er aber, er habe nie jemandem von dem Missbrauch erzählt, da es etwas war, worüber man damals nie sprach.