Warum die Musik -Industrie plötzlich wieder Hoffnung schöpft. Und warum die Computer-Industrie daran schuld ist

Neulich bekam ich ein Mail von einem Freund. Der gute Mann ist Manager einer in Deutschland nicht ganz unbekannten Band. Und hat nebstbei den Hang zur Musik, zu guter, sprich: emotional und intellektuell bewegender Musik, nicht verloren. Was wahrlich nicht selbstverständlich ist. Denn die Tendenz, Künstler und ihre Produkte nur mehr an Verkaufseinheiten zu messen, ist ein schleichendes Gift. Ein Gift, das die Musikindustrie mit meist tödlicher Sicherheit durchtränkt.

Mein Freund, der Manager, erfreut sich dagegen bester Dinge. Erst kürzlich war er wochenlang auf einem Segelturn. Atlantik oder so. Fein, fein, sagt da der gestresste Kollege, also ich. Ja, wirklich fein, so die Replik, zumal man sich auch mitten auf dem Meer, quasi aus dem Nichts, eine kleine Insel errichten könne, ein Eiland für die Ich-AG. Und natürlich spielt Musik dabei eine wichtige Rolle. Da man aber in einer Bootskajüte keine Hi-End-Stereoanlage unterbringt, hätte ein kleines Ding äußerst nützliche Dienste erwiesen: ein „Apple iPod“, nebst einem süperben Kopfhörer von Koss.

Nun ist der iPod längst kein Geheimtip mehr. Es hat sich herumgesprochen, dass Apple seine Philosophie, alles etwas praktikabler und sexier zu machen als die Konkurrenz, auch in seinem MP3-Player umgesetzt hat. Gut, Äpfel kosten deutlich mehr als die Birnen aus dem Dell- & Aldi-Universum, aber wer die Kohle hat, nimmt sie gern in die Hand. Der iPod jedenfalls, eine mobile Festplatte mit Unterhaltungswert, hat alle Erwartungen übertroffen. Inzwischen gibt’s ihn auch für die Microsoft Windows-Gemeinde, und seine Verkaufszahlen dürften die kleine High-Tech-Box für Apple zu einer ähnlich relevanten Umsatzgröße machen wie die Playstation für Sony.

Steve Jobs, der Mann, der der Welt schon die Maus und das grafisch wegweisende Mac-Betriebssystem bescherte, begnügte sich aber nicht mit einem weiteren Edel-Gadget für Digital-Bohemiens, sondern wollte ganz im Sinne von Apples allumfassender Lifestyle-Beglückung – ein Rundum-sorglos-Paket schnüren. Sorgen bereitete allerdings, zumindest der Musikindustrie, der forsche Werbespruch, mit dem Jobs seinen MP3-Player vermarktete: „Rip. Mix. Burn“. Hieß das nicht, dass man CDs kopieren sollte, vielleicht sogar illegal?

Nein, konterte Jobs. Und zog Anfang Mai ein weiteres Kaninchen aus dem Zylinder: den iTunes Music Store. Und der scheint das zu sein, worauf die Fans gewartet haben. Und die Musikindustrie. Schon nach einer Woche zählte man mehr als eine Million aus dem Netzstrumpf gezogene Files. Und, wichtiger als das: Es handelte sich um bezahlte Downloads. 99 Cents pro MP3. Halt: pro AAC. Denn nicht nur, dass die Jukebox hier – im Gegensatz zu Kazaa & Co. – einen Münzschlitz hat und Profit verspricht, setzt sie auch der massenhaften Verbreitung unkontrollierbarer Songformate einen Riegel vor. Dies allerdings erstaunlich liberal: AAC (Advanced Audio Coding), eine MP3-Weiterentwicklung mit verbesserter Tonqualität, ermöglicht das Brennen auf eigene CDs und das Abspielen auf bis zu drei verschiedenen Rechnern. Und die Suche nach Künstlern und Songs ist in ein ebenso homogenes Ambiente eingebunden wie das Vorabhören von Songs und der Kauf ganzer Alben. Nutzer-Tenor: Wau – das geht in die richtige Richtung. Und Jobs ergänzte: „Kunden möchten nicht wie Kriminelle behandelt – und Künstler möchten nicht um die Früchte ihrer Arbeit betrogen werden. Wir bieten eine Lösung für beide. Unser neuer Slogan lautet: ‚Acquire. Manage. Listen.‘ Das ist nicht Stehlen. Das ist gutes Karma.“ Es zeichnet sich also ein Hoffnungsschimmer ab für den technisch hochgerüsteten Fan. Denn dem iTunes Store werden weitere, ähnliche Angebote folgen. Bald auch in Deutschland (bislang funktioniert der Service nur mit einer US-Kreditkarte), es müssen nur ein paar rechtliche Fein- und Eigenheiten geklärt werden. Und plötzlich erscheint es auch nicht absurd, dass Microsoft Interesse an Universal Music geäußert haben soll. Oder gar Apple.

Was hat dies alles mit meinem Freund, dem Manager, zu tun? Nun, er liebt gute Musik. Er nutzt einen iPod. Und er klagte bislang darüber, dass ihm kopiergeschützte CDs die Fütterung seiner Festplatte mit digitalen Files verunmöglichten. So, da waren sich alle Experten einig, treibt man gute Kunden zwangsläufig in die Krakenarme von Kazaa. Doch der Manager lebt auch davon, dass für Musik bezahlt wird. Folglich könnte sich der Apple-Vorstoß wirklich als evolutionärer Quantensprung erweisen.

Und was stand nun drin in dem Mail, das ich von dem gutgelaunten Segler dieser Tage erhielt? „Hast du dir den Kurs der Apple-Aktie angesehen? Ich hab ja ein paar Euro investiert. Hahaha…“

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