Wandelnder Widerspruch
Der große Wüstling und Rebell Dennis Hopper starb im Mai im Alter von 74 Jahren. Einige Erinnerungen an den Mann, der mit „Easy Rider“ das „New Hollywood“ begründete.
Aus Kansas war er nach Los Angeles gekommen, zu Beginn der 50er-Jahre. Es war die Zeit der jungen Schauspiel-Rebellen: Montgomery Clift war bereits ein Star, Marlon Brando wurde es mit „Endstation Sehnsucht“, James Dean hatte seine ersten kleinen Rollen beim Fernsehen. Auch Dennis Hopper wurde später von Lee Strasberg ausgebildet, dessen „Method acting“ den neuen Schauspielertypus prägte. Zunächst aber suchte er Deans Kreise, wurde dessen Kumpel und durfte 1955 in „Rebel Without A Cause“ und in „Giant“ unscheinbare Rollen spielen – Hopper erinnerte sich später daran, wie Dean bei den Dreharbeiten in der Nähe der blasierten Elizabeth Taylor genüsslich gegen einen Weidezaun pinkelte. Nach Deans Tod erbte Hopper den Posten des Nonkonformisten, legte sich mit den Regisseuren an und verbrachte mehr als zehn Jahre mit ruhmloser Brotarbeit.
Als 1967 die neue Zeit anbrach und Filme wie „Bonnie & Clyde“ und „The Graduate“ die Konventionen sprengten, war Hopper zur Stelle. Er hatte sich dem notorischen-B-Film-Regisseur Roger Corman angeschlossen, der Filme über Rockerbanden, Biker und Autorennen herunterkurbeln ließ. Bei der Gelegenheit lernte er Peter Fonda kennen, sie arbeiteten an einem Billigfilm namens „The Trip“. Ein Projekt unter dem Arbeitstitel „The Loner“, das von Drogenhandel und Motorradfahren handeln sollte, fand die Unterstützung des unabhängigen Produzenten Bert Schneider, der 400.000 Dollar investierte. Mit dem Autor Terry Southern arbeiteten sie am Drehbuch, das keine rechten Formen annahm. Fonda wurde zum Produzenten, Hopper zum Regisseur ernannt, als Kameraleute verpflichtete man ein paar Hippies, die auf dem Boden des Produktionsbüros saßen und Hasch rauchten.
Nachdem Hopper vollkommen konfuse Aufnahmen vom Mardi Gras in New Orleans geliefert hatte, zerstritt er sich mit Fonda, der ihn in eine psychia-trische Klinik einweisen lassen wollte. Seine Frau bezeichnete ihn als „gemeingefährlich“, verließ mit den Kindern die Wohnung und reichte die Scheidung ein. „Easy Rider“ kam im Sommer 1969 heraus und spielte mehr als 30 Millionen Dollar ein. Das war das „New Hollywood“.
Für seinen nächsten Film zog Hopper mit seinem Tross nach Mexiko, errichtete ein Hippie-Dorf, kokste und soff und verlor den Überblick. Das Film-Team zog Gesindel aller Art an, es herrschten spätrömische Verhältnisse. Schließlich kehrte Hopper nach Los Angeles zurück und versuchte, „The Last Movie“ am Schneidetisch zu retten. 1971 wurde der Film bei einigen Festivals gezeigt, gewann einen Preis und verschwand im Archiv.
Hopper wurde von Francis Ford Coppola für die Rolle eines Fotografen in „Apocalypse Now“ auf die Philippinen geholt – auch diese Produktion versank im Chaos. Coppola spielte den Dschungelfürsten und trat gegen den alten Querkopf Brando an, dem schon qua Rollenbeschreibung der Irrsinn zukam. Als Hoppers Auftrag beendet war, reiste er 1977 nach Deutschland, zu den Dreharbeiten von „Der amerikanische Freund“. Wim Wenders erinnert sich daran, wie der derangierte Schauspieler ohne Gepäck am Hamburger Flughafen ankam. Als Tom Ripley lieferte Hopper eine der großen, zugleich entspann- ten und bedrohlichen Darstellungen seiner Karriere. 1980 inszenierte er den wunderbaren Film „Out Of The Blue“ mit Songs von Neil Young. Dann faszinierte Dennis Hopper in David Lynchs „Blue Velvet“ als sadomasochistischer Knallkopf. 1988 durfte er einen Studiofilm inszenieren, „Colors“, über die Gewaltbanden und die Polizei in Los Angeles.
Die wenigen Filme, die Hopper noch drehte, wurden verstümmelt oder kamen nicht ins Kino. Man sah ihn in „Speed“ und in Nebenrollen, zuletzt in Wenders‘ „Palermo Shooting“ als Sensenmann und in der Fernsehserie „Crash“. Er reiste umher und präsentierte seine Fotografien. Dann wurde Krebs diagnostiziert. Im März bekam er endlich seinen Stern auf dem Hollywood Boulevard.
Am 29. Mai musste Dennis Hopper, der größte Renegat und Freiheitsliebende von Hollywood, im Alter von 74 Jahren seinen Kampf gegen die Schweinehunde aufgeben. Arne Willander