Vor zwei Jahren fiel Fish in ein Karriereloch. Nun versucht er’s neu nach alter Marillion-Art
Da saß er nun: Derek William Dick, 40 Jahre alt, hochverschuldet und festgefahren im schottischen Haddington. Für seine Fans war er immer noch der große Fish, für sich selbst nur noch ein kleines Würstchen, das nie wieder so erfolgreich sein würde wie damals mit Marillion, dem „Kayleigh“-Hit und dem Top-Album JAisplaced ChUdhood“. Mist auch. Der Sänger sah schwarz: „Als ich 1997 von einer 130-Gig-Tour zurückkam, fiel mein Leben wie eine Reihe Domino-Steine zusammen: Ich hatte in wenigen Monaten 150 000 Pfund verbraten, ohne es zu merken. Weihnachten waren wir uns nicht sicher, ob wir unser Haus halten könnten. Mein Label war eine Katastrophe, und ich war total am Ende.“
Als pflichtbewußten Familienvater traf ihn die Erkenntnis besonders hart, daß von früheren Tantiemen nichts übriggeblieben war und weitere Einkünfte nicht so bald zu erwarten waren. Wer jetzt denkt, noch deprimierender könne diese Geschichte nicht werden, irrt. Jedes Mal, wenn ich dachte, nun kann’s nur noch aufwärts gehen, folgte die nächste Talfahrt, und das in atemberaubendem Tempo.“ Am Ende wurde Krebs bei seiner Frau diagnostiziert. Und als sie wieder gesund war, gab’s einen Ehekrach.
Auf Fishs fünftem Soloalbum „Raingods With Zippos“ kann man all dies Elend hören. Der Song „Rites Of Passage“ verkündet die frohe Botschaft: „Happy endings don’t exist.“ Blödsinn, findet Fish heute. Doch als er das Lied schrieb, war er weit davon entfernt, eine Zukunft für seine Musik zu sehen, geschweige denn eine interessierte Käuferschar. Oder wenigstens eine Firma, die sich ernsthaft um ihn kümmerte. In der Not kam Stings Manager gerade rechtzeitig. Miles Copeland lud Fish aufsein Schloß in Frankreich ein, wo er in Ruhe arbeiten konnte. Kein Fax, kein Handy störten den leicht desorientierten Musiker beim Arbeiten. Und urplötzlich klappte es wieder mit der Inspiration. „Endlich verspürte ich nicht mehr das alte Dilemma: zuviel Lärm, zu wenig Musik.“
Daß mit „Progressive Rock“ kein Staat mehr zu machen ist, war ihm zu dem Zeitpunkt schon klar. Und trotzdem klingt „Raingods With Zippos“ mehr nach Marillion als alles andere, verbindet klassische Elemente mit halbmodernen Ambient-Klängen und wartet auch noch mit einer halbstündigen Songreihe namens „Plague Of Ghosts“ auf. Gähn? Geht so. Immerhin: Singen kann der Mensch ja, und manches Mal gelingt ihm auch noch eine ganz passable Melodie.
Meistens aber passiert genau das, was er anderen Bands vorwirft: „Es fehlt an neuen Ideen. Progressive Rock hat inzwischen einen schlechten Namen. Da springen die Leute ja gleich aus dem Fenster vor Schreck. In den 70er Jahren war das noch ganz anders, die Bands hatten neben ihren technischen Fähigkeiten noch Groove – Yes, Pink Floyd und so.“ Da wäre der Terminus „Regressive Rock“ heutzutage wohl angebrachter? „Mit Fortschritt hat das meiste jedenfalls nichts mehr zu tun. Ich erinnere mich an ein sogenanntes Prog-Rock-Festival in Holland. Es ging um 12 los, und als ich um 21 Uhr aus dem Halbschlaf erwachte, dachte ich, es spiele immer noch dieselbe Band.“
Für Liam Howlett und Kollegen ragt Fish freilich auch nicht aus dieser homogenen Masse heraus. Eigentlich sollten The Prodigy den einen oder anderen Song von „Raingods With Zippos“ remixen, aber: „Sie lehnten leider ab.“