Von Coltrane lernen
Also, die Arbeitsteilung bei Primal Scream sieht wie folgt aus an diesem Promotag zur Adventszeit. Mani ratzt bis in die späten Nachmittagsstunden seinen Vollrausch aus, den er sich in einer gaaanz langen Hamburger Nacht mit zuviel Jägermeister inklusive Versuchung in Gestalt einer lokalen DJane angeeignet hat. Darf schon mal sein sowas.
Schließlich hat der Ex-Stone Roses-Madman seinen Anteil daran, dass es eine Band überhaupt noch gibt, die nach dem Chaos von „Give Out But Don’t Gire Up“ (1994) eben das doch tun wollte: aufgeben. Mani habe „entscheidend dazu beigetragen, dass wir uns jetzt wieder als echte Band fühlen“, tat Rudelführer Bobby Gillespie schon 1997 kund. Da ist es doch ein Leichtes für ihn, mal eben alleine die Promo-Kohlen aus dem Feuer zu holen. Was der Primal Scream-Chef denn auch mit einem für seine Drogen-Reputation erstaunlich klaren Kopf tut Zwei Bier hatte er sich bei der Vorabend-Sause gestattet, stieg dann auf Nullprozentiges um und war „schon“ gegen 3 im Bett.
Also kann der Schotte gut 12 Stunden später mit lockerer Zunge über dies und das losschwadronieren. Über böse Amerikaner und blöde Briten, die gar nicht merken würden, wie Tony (Blair) ihnen die Butter vom Brot nehme. Über Fußball (er saß in den 70ern als Junge im Stadion, als die „kalten“ Bayern gegen St Etienne den Europa-Cup holten) und Alan McGee, der nur wenige Tage vorher bei seinem Baby Creation in den Sack gehauen hatte. „Richtig“, meint Gillespie, wo sich ihr treuer Wegbegleiter doch nur noch gelangweilt habe. Er glaube nicht, dass sein Rückzug das standingder Band bei Sony schwäche; aber man müsse natürlich erst mal abwarten.
Ums neue Album mit dem nicht so tollen Titel „Xtrmntr“ geht’s natürlich auch. Die Vorab-Promo war schon mal gesichert, als die Firma mit Band-Einverständnis die neue Single „Swastika Eyes“ in Deutschland, Österreich und Polen in „War Pigs“ (huh!) umtaufte; man fürchtete die Nazi-Konnotation des Originals. Verglichen mit dem Vorgänger „VanishingPoint“ gehen Primal Scream heuer deutlich aggressiver zu Werk. Gillespie fuhrt das auf die Injektion frischen Blutes durch eine neue Rhythmusgruppe sowie zwei Bläser zurück. „Wir sind wieder experimentierfreudiger geworden. Weil wir auf so viele gute Musiker zurückgreifen können. Wir sind jetzt hi-energy, sehr, sehr rhythmusbetont, vor allem live – und auch viel offener für Jazz-Einflüsse.“
Gillespie erzählt dann noch die schöne Anekdote, wie ihn Coltranes ekstatisches Atonal-Monument ,^iscension “ kalt erwischte. „Eines Morgens, ich war schon zwei Tage auf, brauchte ich Musik, die mich ganz ruhig macht Ging in den Plattenladen und entdeckte dieses Coltrane-Album. Ging heim, legte es auf – und dann dieser Lärm! Es knockte mich aus, diese Aggression!! Ich hatte gedacht, yAscension das ist bestimmt was Lyrisches. Aber ein Jahr später in New York öffnete ich mein Hotelfenster und hörte die Kakophonie, die da aus den Straßen hochlärmte. Fuckin‘ hell! Erst da wurde mir klar, was er gedacht und gemacht hatte.“