Vom Triumph gefesselt
Vor 30 Jahren verhieß der Start von MTV in den USA ein wunderbares neues Zeitalter – umso älter sieht es heute aus.
Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass am 1. August 1981 ein neues Zeitalter begann: Mit dem Start von MTV in den USA wurde das Video zur entscheidenden Währung in der Popmusik. Kaum war der Kanal etabliert, gab es auch schon den ersten Superstar: Michael Jacksons „Thriller“ erschien im Dezember 1982, und die Filme zu „Billie Jean“, „Beat It“ und „Thriller“ wurden berühmter als jeder Spielfilm der Zeit, „E.T.“ ausgenommen. Madonna erreichte 1984 eine Breitenwirkung, die bei Donna Summer einige Jahre vorher nicht vorstellbar war, obwohl sie aus jedem Radio tönte. Und der Bona-fide-Rocker Bruce Springsteen, zwei Jahre früher ein Provinz-Romeo in Lederjacke, kehrte als Adonis zurück und forderte im choreografierten Video zu „Dancing In The Dark“ Courteney Cox zu einem Tänzchen auf.
Das Musikfernsehen hatte die tröstliche Kollateralwirkung, dass neben Billy Ocean, Bon Jovi und Lio-nel Richie auch die Unwahrscheinlichen profitierten, weil sie sich auf Filmkunst verstanden: Die Talking Heads, schon mit „Once In A Lifetime“ Pioniere, platzierten „Road To Nowhere“ in den Top Ten. Peter Gabriels Soul-Hommage „Sledgehammer“ mit der um seinen Kopf dampfenden Lokomotive fehlte 1986 in keiner Sendung. David Lee Roth ließ die „California Girls“ aufmarschieren. Und die alten Stiesel Genesis wurden der „Spitting Image“-Knetfiguren in „Land Of Confusion“ wegen des Humors verdächtigt.
Das MTV der frühen Jahre war eine ungeheure Verheißung: Was dort gezeigt wurde, war Pop – und wer das nicht wollte, der schaute kein MTV. Heute schaut MTV, wer Kuppel-Shows mag. Für Musik hört man einfach wieder Platten. AW