Vom Trainer zum tumben Tor
"Immer nur der Nase lang" soll der große Dokumentarfilm über Christoph Daum heißen. Jörg Gülden durfte vorab schon mal das Drehbuch einsehen
Leise rieselte der Schnee, als Bayer Leverkusen-Platzwart Jupp Kowalski (Heinz Honig) mit seinem Linienlegewägelchen über den heiligen Rasen der BayArena kurvte. Beim Elfmeterpunkt angelangt, stellte Kowalski das Legedosiergerät des Wägelchens auf „vollen Schub“, hatte ihm doch sein Chef, Trainer-Zampano Christoph Daum (Heiner Lauterbach), eingebläut: „Mach mir ja ’nen extrafetten Elfer, heute geht’s nämlich ums Ganze! Und denk bei der Torlinie auch mal an meine Angelika Camm (Iris Berben), die wird sonst hinter mir auf der Tribüne wieder zur Furie, und schon steht’s in der Zeitung.“
Pech nur für Daum und seine Angelika, dass Bayer-Manager Reiner Calmund (Ottfried Fischer) Kowalskis Tun von der VIP-Lounge beobachtet hatte. Denn bevor das Flutlicht in der BayArena eingeschaltet wurde, hatte der gewichtige und gewitzte Manager bereits ganze Arbeit geleistet: Der Schnee am Elfer und der von der Torlinie war nun nicht mal der von gestern.
Und so kam es, wie es kommen musste: Kurz nach dem Anpfiff hyperventilierte Daum wie nie zuvor, Millionen Fernsehzuschauer wurden Zeuge, wie der völlig panische Trainer ein ums andere Mal verzweifelt versuchte, den Dosierrüssel einer Klinikpackung „Aspirin plus K“ in seinen geröteten Zinken zu lancieren, was aber bei seinen spastischen Armbewegungen stets misslang und nur in weißen Flecken auf seinem himmelblauen Designeranzug resultierte. In der 13. Minute schrieb unser designierter Bundestrainer dann Fußballgeschichte, aber eine der ganz negativen Art: Manisch mit den Armen fuchtelnd, mit Schaum vor dem Mund und mit Augäpfeln so groß wie Golfbälle brüllte er den Stürmer Ulf Kirsten (Zlatko) vom Platz und wechselte für ihn den zufällig in der Nähe rumsitzenden Kicker-Pensionär Stan Libuda (Drafi Deutscher) ein. – Die Besatzung der BayArena ging kollektiv durch die Stadiondecke.
Und den hohen Herren vom DFB, Franz Beckenbauer (Martin Semmelrogge), Uli Hoeneß (Konstantin Wecker) und Gerhard Mayer-Vorfelder (Fritz Wepper), die als Spielbeobachter auf der Ehrentribüne saßen, wurde in diesem Moment schlagartig klar: Daum ist dumm! Daum hat trotz vieler teurer Nachhilfestunden immer noch nicht kapiert, dass der DFB-Slogan „Keine Macht den Drogen“ und nicht „Alle Macht den Drogen“ heißt Daum muss sofort weg! Bloß wie?
Mit dieser alles entscheidenden Drehbuch-Passage und -Gretchenfrage konfrontiert, zerbrach der große deutsche Dokumentarfilmer Helmut Dietl (Helmut Died) den wohl zehnten Bleistift und griff entnervt zum Handy. Jetzt konnte nur noch ein Kollege, der Kölner Filmemacher Bernd Thränhardt (Bernd Thränhardt) („Ich habe mit Daum gekokst“), den wirren Plot wissend und wirklichkeitsnah weiterspinnen. Doch am anderen Ende der Leitung meldete sich nur eine Tussi (Jenny Elvers), die „da Bernd, da is op Entzuch in de Klinik“ ins Telefon brabbelte.
Völlig mit den Nerven zu Fuß wollte Dietl sich schon eine riesige Line feinsten Diamantmehls reinziehen, als es an der Tür klingelte. Ein müder Dietl-Blick durch den Spion, ein animalischer Jubelschrei plus Freudensprung bis an die Stuckdecke: Die leibhaftige Rettung stand breit und in voller Breite vor seiner Tür! Der kickende Koks-König (oder koksende Kicker-König) Diego Maradonna (Ernst Hannawald), der einzig kompetente Mann mit dem richtigen Näschen für diesen delikaten Stoff, würde den „Fall Daum“ spielend wuppen. Hossa, dem DFB stand ein Kino-Kultklassiker ins Haus! Und obendrein ein Kicker-Lehrfilm, über den man selbst beim kolumbianischen Fußballverband nicht die Nasen rümpfen dürfte. Also sofort ab mit Hauptdarsteller Heiner Lauterbach nach Miami; und am besten Verona Feldbusch gleich mit auf die Maschine gebucht. Irgend so ein Sex-Luder würde ja wohl auch in Florida die Pfade des chronisch verschnupften Christoph Daum kreuzen. Dietl und Maradonna gaben sich erst einmal knallend die ersten high fives des noch jungen Abends… Lesen Sie beim nächsten Mal, was passiert, wenn das Sex-Luder (immer noch Verona Feldbusch) kichernd gesteht: „Christoph, ich glaube, ich hab aus Versehen das Haarbüschel für deine B-Probe geraucht“ Ein garantierter Lacher auch, wie sich der Promi-Anwalt und Hoeneß-Ankläger Matthias Prinz (Prinz von Homburg) aus der Affäre zu schleimen versucht. Lesen Sie, wie es gelang, den spätberufenen Drogenexperten Gotdhilf Fischer (Gotthilf Fischer) dazu zu bewegen, den Soundtrack zu „Immer nur der Nase nach“ völlig Chöre-frei im angesagten Stoner-Rock-Sound zum mindblower werden zu lassen. Stay tuned, denn auch die vielbelächelte Task Force unter Kalle Rummenigge (Wigald Boning) wartet dank Maradonna/Dietl-Drehbuch-Teamwork noch mit wahrlich sagenhaften Überraschungen (Atomwaffen-Schieberei, Euro-Crash, Staatsstreiche und Weltverschwörung) auf“Bild“ was willst du mehr?
Die MdB-Toiletten des Reichstag müssen bis zur nächsten „Berlinale“ auf ihre Verfilmung warten…