Vom Anti-Apartheid-Kämpfer zum Medienstar: Nelson Mandela und die Popmusik
Ein Überblick an Songs und Konzerten, die zu Ehren des einst inhaftierten Nelson Mandela veröffentlicht und inszeniert wurden. Über viele Jahrzehnte hat der Freiheitskämpfer die Musik beeinflusst.
Über 20 Jahre Haft auf der Gefängnis-Insel Robben Island sollten vergehen, bis Nelson Mandela zu einer Ikone der internationalen Popkultur wurde. Zwar existierte bereits seit 1962 eine „Free Nelson Mandela“-Kampagne und sein Kampf gegen das rassistische System in Südafrika wurde weltweit unterstützt. Doch seine Bedeutung speziell für die Popmusik begann erst 1983, mit dem Besuch von Jerry Dammers auf einem Anti-Apartheits-Konzert in London. Der Gründer und Songschreiber der Specials hatte sich zuvor mit seinem Two-Tone-Label bereits für das Miteinander von schwarzen und weißen Musikern engagiert.
Nun schrieb er kurzerhand die federnde wie furiose Freiheitshymne: „Free Nelson Mandela“. Mit einem treibenden Beat und swingenden Bläsersätzen verband er ein todernstes Thema mit der Ausgelassenheit des Dancefloors. Ein perfekter Popsong, produziert von Elvis Costello, der 1984 bis auf Platz neun der britischen Charts vorstieß. „21 years in captivity – Shoes too small to fit his feet – His body abused but his mind is still free – Are you so blind that you cannot see? I said;- Free Nelson Mandela, I’m begging you – Free Nelson Mandela“, forderte der kurzfristig engagierte Sänger Stan Campbell der Specials-Nachfolgeband Special AKA. Dammers, der wie so viele seiner Zeitgenossen anfangs gar nicht soviel über Mandelas Schicksal wusste, hatte ihn mit seinem Song ins Zentrum einer medialen Aufmerksamkeit katapultiert.
Von afrikanischer Seite war es Hugh Masekela, der 1985 mit seinem Song „Bring Him Back Home (Nelson Mandela)“ ebenfalls mit fokussierten Bläsersätzen den Staffelstab des musikalischen Protestes übernahm. Parallel dazu initiierte Springsteen-Gitarrist Steven van Zandt 1985 die Artists-United-Against-Apartheid-Bewegung, die mit dem Song „Sun City“ zu einem Konzert-Boykott im Las-Vegas-artigen Freizeit- und Event-Resort von Südafrika aufrief. Unterstützt von Springsteen selbst, fand sich eine All-Star-Vereinigung von Bob Dylan bis Run DMC zusammen.
Vor dem Hintergrund weltweiter TV-Events, die 1984 mit dem (durchaus umstrittenen) Live-Aid-Konzert begonnen hatten, kam es am 11.Juni 1988 zur Übertragung des Nelson Mandela 70th Birthday Tribute, das aus der Londoner Wembley Arena in 67 Länder ausgestrahlt wurde. In Großbritannien politisch nicht unumstritten – schließlich galt Mandela in manchen Kreisen weiterhin als „ Terrorist“ – hatte dieses Konzert dennoch eine immense Bedeutung. Branchenintern wurde zwar die Beteiligung „unpolitischer“ Mainstream-Künstler von Whitney Houston bis Wet Wet Wet kritisiert, doch trotz dieser Vermarktungsmechanismen galt der weiterhin inhaftierte Mandela längst als Ikone des popkulturellen Protests.
Als Nelson Mandela im Februar 1990 endlich freigelassen wurde, kam es im April des gleichen Jahres zu einer großen Feier in Wembley mit Neil Young, Lou Reed, Neneh Cherry und den Neville Brothers. Es gehört zu den Widersprüchen der Popmusik-Aktionen, dass Mandela selbst anfangs seine Beteiligung in London überdachte, hatte die Regierung Thatchers stets Sanktions-Aktionen gegen Südafrika abgelehnt.
Als schließlich die Spice Girls am 1. November 1997 zu einem Benefiz-Konzert des „Nation Trust“ nach Pretoria anreisten, war Nelson Mandela bereits der erste schwarze Präsident von Südafrika. Das popkulturelle Ringen um seine Freiheit war längst beendet, was blieb war ein Fotoshooting oder ein Tänzchen mit einem größten Freiheitshelden unserer Zeit.