Visuelle Revolution
1. August 1981
„Wir wussten damals gar nichts von MTV“, erzählt Duran Duran-Sänger Simon Le Bon über die ersten Videos seiner Band. „Es gab diese Firma Rock America, die Videogeräte in Bars aufstellte. Für die machten wir unsere Clips. Deshalb war ,Girls On Film‘ auch ziemlicher Softporno.“ Doch MTV gierte nach Material, und Duran Duran und eine neue Welle englischer Hochglanz-Bands lieferten es. Als MTV am i. August 1981 aus den Startlöchern kam, mit „Video Killed The Radio Star“ von den Buggles, nahm kaum jemand davon Notiz. Anfangs hatte der Sender nur 2,5 Millionen US-Abonnenten – verschwindend wenige im Vergleich zu den großen TV-Sendern. „Kabel war, wie für eine Teppichfabrik zu arbeiten“, sagt MTV-Chefin Judy McGrath, die als Redakteurin bei dem Sender anfing. „In New York konnte man MTV gar nicht sehen. Man musste nach Fort Lee in New Jersey fahren. Oder Dallas.“ Videos waren damals als Werbemittel noch fast unbekannt. McGrath schätzt, dass es nur für zwei der amerikanischen Top-ioo-Singles ein Video gab. So mussten englische Bands wie Culture Club und Human League ran. Duran Duran konnte bei den US-Radiosendern nicht punkten, erregten aber mit grellen Clips für „Hungry Like The Wolf und „Rio“ Aufsehen. „Die waren ziemlich billig“, meint Le Bon. „Das Einzige, was Geld kostete, waren das Filmteam und das Filmmaterial. Die Mädchen arbeiteten ohne Bezahlung. Einmal flogen wir nach Sri Lanka und drehten gleich drei Videos für zusammen 45 000 Dollar.“
MTV machte aus Duran Duran die ersten Videostars. Plötzlich verkauften Billy Idol, Adam And The Ants und die Stray Cats Platten, obwohl das amerikanische Radio sie links liegen ließ. „Als die Marktdaten kamen, hieß es, Duran Duran würden sich in Dallas gut verkaufen“, erzählt McGrath. „Aber nur auf der Seite der Stadt, die verkabelt war. Die Plattenfirmen zählten zwei und zwei zusammen, und der Rest ist Geschichte.“
Ende 1982 hatte sich das Publikum auf 9,3 Millionen Abonnenten vervierfacht. MTV veränderte nicht nur Hörgewohnheiten, es erschloss der Musik auch neue Käuferschichten, die sonst mit ihr gar nicht in Berührung gekommen wäre. Mainstream-Fans bekamen ihre erste Portion Punk, New Wave und Ska serviert, eingefleischte Rockfans ließen sich von Michael Jackson mitreißen. „Es gab ein paar alte, hässliche Gnome ohne Haare, die vor der Kamera einfach schlecht aussahen“, meint Le Bon. „Die beschwerten sich natürlich über Musikvideos.“ Doch für die Fans war MTV eine Offenbarung. „Als ich nach Amerika kam, wollten sie meine Platten nicht im Radio spielen, weil ich stachelige Haare hatte und Punkrocker war“, sagt Billy Idol. „Erst durch MTV bekamen die Leute meine Musik zu hören.“