Vis-a-vis mit dem Feindbild
Wenn Lotte Ohm. mit leichter Hand Songs schreibt, kommt sein heiteres Gemüt zum Vorschein, aber der Dichter und Denker kann auch anders
Man muss kämpfen für die Kunst. Beim letzten Album, da haben sie ihn noch gedrängelt, das musste er sich „in nur zwei Monaten regelrecht aus den Rippen schneiden“. Hörte man gar nicht. Jedenfalls bislang. Jetzt hat lotte ohm. (nur echt mit dem Punkt, warum auch immer) Gegenleistung eingefordert und tatsächlich anderthalb Jahre Zeit bekommen. Lohnend genutzt, muss man sagen, denn „17°“ zeigt den fröhlichen Querulanten in bestechender Form. „Ja, nicht?“ lotte ohm. lehnt sich zurück und zieht an der Selbstgedrehten, „ich war auch derart zufrieden, dass ich bis heute nichts daran ändern möchte.“ Was so nicht bleiben wird, man will ja noch ein nächstes Album machen.
Wir können das brauchen. Männer wie ihn, die mit so leichter Hand Songs schreiben wie die Franzosen Komödien-Drehbücher, die ganz und gar unpeinlich mit der deutschen Zunge schnalzen, es dazu locker grooven lassen und auch mal nach Schlager klingen, ohne dass man Angst vor einem baldigen Auftritt bei Uwe Hübner kriegt solche Männer hat das Land nicht allzu viele. Dabei komponiert das heitere Gemüt lotte ohm. stets mit dem Feindbild vis-a-vis. Spiegelfechtereien sind das allerdings – kein Kampf, mehr ein Spiel. „Natürlich könnte auch ich Nummern wie die von Modern Talking schreiben“, sagt der Regensburger, „aber die würde ich doch niemals meiner Company schicken. Ich würde sagen: Moment, das ist Scheiße, das geht so nicht. Dann würde ich nächtelang basteln, und am Ende war es dann wieder lotte ohm..“ Er ist sich nämlich sicher, dass kein Musiker je Musik schreiben könnte, die ihm nicht gefällt, „das unterstelle ich sogar Dieter Bohlen“. Sehr großzügig, finden wir.
Zumal Herr ohm. ja auch ein Denker ist, wenngleich bloß im Nebenjob. Über die fragile Balance von Herz und Hirn etwa grübelt er dann nach und möchte „am liebsten in der Mitte stehen, aber nicht wie ein Fels in der Brandung“. Keiner der Pole sei schließlich schlecht oder gut, das habe er von – hört, hört! – den Big Brothers gelernt. Er analysiert „Zlatko und Jürgen wussten gar nichts und waren total nette Menschen, die Gebildeten hingegen waren Zicken, Arschlöcher, Kneipen führende Deppen.“ Als weitere Beispiele folgen Feldbusch, Naddel, Reich-Ranicki – und schon hat der Herr ohm. wieder einmal sehr charmant und ganz nebenbei sich selbst empfohlen.
Ein tugendhafter Mensch ist er deshalb noch lange nicht Fußangeln will er ohne Frage auch weiterhin auslegen, um alle zu verwirren und „schon damit ich mich wieder über jene Leute amüsieren kann, die einen Song wie Tintenfisch‘ vom ersten Album als Analyse des Gladbecker Geiseldramas interpretierten“. Ein herzhafter Lacher.
Aber eins darf man bei allem Spaß nicht übersehen: lotte ohm. arbeitet auch an sich. Ein halbes Dutzend Mitstreiter auf „17°“ waren probates Mittel „gegen meine Angst vor Kontrollverlust. Ich bin ja nicht blöd. Ich weiß, dass man Neurosen zu bekämpfen hat, wenn man nicht wie Phil Spector im Wahnsinn enden will“. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.