Villagers Live: Der kleine Prinz und sein wunderliches Leben
Mit ihren Klang-Traumwelten begeisterten Villagers das Münchner Publikum.
Fernab von den hippen Läden der Münchner Feierbanane zwischen Sendlinger Tor und Maximilianplatz, suchen Fans von Independent-Musik jetzt das „Strom“ nach seiner Wiedereröffnung auf, um dieser verkopften Musik zu lauschen. Ihrer Zeit wurden dort auch die Sportfreunde Stiller entdeckt. Und auch, wenn in der kleinen Halle innerhalb der alten Gemäuer des Lindwurmhofs alles mehr nach Retro-Chic denn nach Neukonzeptualisierung aussieht, gibt es dort doch durchaus noch Debüts zu feiern. Den ersten Besuch des Songwriters Conor O’Brien in der bayerischen Hauptstadt beispielsweise.
Mit dabei hat er seine vier weiteren Bandmitglieder seiner Gruppe Villagers. Leider wissen das nicht alle zu schätzen – für das Konzert kann man bis zur letzten Minute Tickets kaufen. Die Location ist dennoch gut besucht, und zum Glück ist den Anwesenden das Talent dieses außergewöhnlichen Musikers aus Dublin unlängst deutlicher bewusst. Die wissen wohl um das unverschämt vielseitige und freche Debüt um „Becoming A Jackal“ vor drei Jahren.
Als es dann zu „My Lighthouse“ aus dem neuen Album „Awayland“ von der grimmig-dunklen Kulisse der Bühne stöhnt, zittert, vibriert und tatsächlich eher huht als singt, verstummen die Zuhörer in dem recht kleinen Gemäuer. In der Mitte der Bühne steht ein verlegen (oder zu Unrecht bescheiden) drein blickender Conor O‘ Brien und gibt innerhalb des Titels sogleich ein Versprechen: „And I’ll save all my stories for thee“.
Wen er damit letztendlich mal meinte, ist jetzt egal. Das Publikum lauscht aufmerksam. Beim näheren Betrachten der Anwesenden ist das schon faszinierend: Fast keiner spricht, die Blicke wandern in Richtung des mal flirrend, mal süffisanten, mal schreiend, mal hauchendem Gesang, der von der Mitte der Bühne dringt. Wenn manch einer schon Anekdoten und Spinnereien aus dem „Awayland“ gehört hat, will man dennoch nichts verpassen von O’Briens verqueren Geschichten über sadomasochistische Phantasien oder Fieberträume, die sich in seiner surrealistischen Gedankenwelt zutragen. Der kleine Prinz erzählt von seinem wunderlichen Leben.
Wie jeder gute Geschichtenerzähler hantiert O‘ Brien geschickt mit Stilmittelchen und allerhand Zubehör, damit die Moral auch Niemandem entgeht. Sieht man auf die Bühne, erblickt man Trommeln, ein Schlagzeug, ein Keyboard, das auch Klavierkadenzen tatsächlich perfekt umzusetzen vermag, Gitarren, Bässe, Rasseln und den so wichtigen Klangcomputer. Wie sollte man das, was O’Brien schlicht „ schmaltzy“ nennt, auch sonst auf eine so kleine Bühne bringen? Platz für Streicher, Bläser und Orgeln gibt es da wirklich nicht.
Gelungene Pointen sind aber sicherlich die vielseitigen Spielereien, mit die der Songwriter aufwartet. Als Miterlebender kann man sich fast erschrecken, wenn O’Brien während „Earthly Pleasure“ das Akustik-Gitarrenspiel ad absurdum führt und mit stotterndem Staccato von einem Typen singt, der nackt auf der Kloschüssel seine Zähne putzt, bis er plötzlich Lucifer gegenüber steht. Dass es sich bei den zerstückelten Worten um “Every single piece of baggage he’d been holding on his back/ Was beginning to d-d-dig in and then his back began (began) to crack” nicht um einen Kratzer in der CD handelt, dürfte manch einem vielleicht erst live vorgetragen bewusst geworden sein.
Und so geleitet O’Brien uns durch seine Traumgespinste und wird nicht müde jede Silbe anders zu betonen. So fehlen weder Falsettgesänge bei „The Meaning Of A Ritual“ noch der eindringlich-mahnende Sprechgesang zum Refrain bei „Judgement Call“ , den er ebenso gut herüberbringt wie das schnorrend-bluesige Timbre bei „Rhythm Composer“, in dem er unter anderem von einem alten Hund berichtet, der von einem anderen Leben träumt.
Viel deutlicher ist jedoch, dass dieser Musiker alles sein kann. Ob jetzt Helen, Mary Jane, Robert oder Paul wie in “Memoir” besungen, ist egal. Unterbrochen wird O’Brien in seinen ganzen Geschichtchen auch nur einmal, als ein Mädchen einer Freundin etwas zu tuschelt. Charmant lächelt das der Sänger weg und widmet ihr den „Grateful Song“. Wer sich den Titel aufmerksam anhört, überlegt augenblicklich, ob das der Ironie wegen nicht sogar so verabredet war.
Dann verabschieden sich Villagers nach der Zugabe (unter anderem mit dem letzten Titel „On A Sunlit Stage“) und zahlreichen Dankesworten vom Publikum.
Hoffen wir mal, dass er sich nicht von einer Schlange beißen lässt und wir noch viel mehr von seinen Parallelwelten zu hören bekommen.
Wo man dazu Gelegenheit hat, erfährt man hier.
Anmerkung: die Konzertfotos wurden auf dem darauf folgenden Villagers-Konzert in Berlin am 27. Februar aufgenommen.