Viktorianische Ironie
Die neue Verfilmung von Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray"
Der Brite Oliver Parker ist ein Oscar-Wilde-Kenner. Als Theaterschauspieler hat er in jungen Jahren in Wilde-Stücken gespielt, und mit „Das Bildnis des Dorian Gray“ (Kinostart: 15.4.) hat er nun nun bereits zum dritten Mal eine Vorlage des irischen Poeten und Ästheten verfilmt. Er hat sich einige Freiheiten genommen bei der Umsetzung der Geschichte vom schönen Jüngling Dorian, der die hedonistischen Fantasien des mephistophelischen Dandies Lord Henry Wotton auslebt und dabei keinen Tag altert, während sein Öl-Bildnis auf dem Dachboden die Spuren von Alter und Sünden trägt. Handlungsort und -zeit hat Parker allerdings beibehalten: das spätviktorianische England. „Es wäre ein Leichtes gewesen, die Eitelkeiten, die in dem Roman zur Sprache kommen, auf die heutige Zeit zu übertragen“, so Parker. Aber wenn man die Handlung in der Vergangenheit belässt, ist die Wirkung stärker. Anstatt unsere Zeit zu imitieren, hält der Film ihr einen Spiegel vor.“ Durch die zeitliche Distanz erhält das Geschehen auf der Leinwand eine ironische Aura – wie es sich geziemt, wenn der Dandy auf die Welt blickt.
Während die Sehnsucht nach ewiger Jugend Ende des 19. Jahrhunderts durch ihre Unerfüllbarkeit noch von großer Melancholie durchzogen war, stecke hinter dem heutigen Jugendlichkeitswahn eine große Tragik, so Parker. „Wie umgekehrte Dorian Grays tragen einige Leute heute ein makelloses Bild vor sich her, doch wenn sie es wegnehmen, kriegt man das Grauen.“
Wenn Ben Barnes („Die Chroniken von Narnia“) als Dorian durch Parkers blauschwarze Bilder stolziert, erinnert er wohl nicht zufällig an den von Robert Pattinson verkörperten, ebenfalls ewig jungen Vampir Edward Cullen aus der „Twilight“-Saga. „Unser Dorian ist nicht der blond gelockte, blauäugige Junge aus dem Buch“, erklärt Parker. „Das ist sicher ein Zugeständnis an den Zeitgeist. Wir suchten nach einem komplexen, geheimnisvollen Typen. Unsere Kostümdesignerin zeigte mir Fotos von Rudolf Nurejew, als er in den Sechzigern nach London kam. Er hatte diesen leicht androgynen Look, wundervolle Stiefel und trug einen Cut. Und so gaben wir unserem Dorian diesen Sixties-Look.“