Viel besser als ihr Ruf: Queen veröffentlichen das Doppel-Album „Live Killers“
Oder: Die persönliche Geschichte darüber, wie eine von den meisten Menschen geschasste Platte dennoch enorm wichtig sein kann.
Bei „Live Killers“ scheinen sich alle einig zu sein. Die Kritiker und gar die Band selbst. So schrieb David Fricke 1979 im US-ROLLING-STONE: Dieses Live-Album beweise lediglich, dass Queen, befreit von all dem Studio-Schnickschnack, ein müder Abklatsch von Led Zeppelin seien.
Die Musiker selbst waren auch unzufrieden, jedoch nicht mit ihrer Spielweise, sondern mit dem Mix des eigenproduzierten Werkes – dies sollte erst ansatzweise beim Reissue 2001 durch ein Remaster von Peter Mew behoben werden. Und auch bei Fans scheint die Platte keinen besonders hohen Stellenwert zu haben. Als der deutsche ROLLING STONE zum Voting der besten Live-Alben aller Zeiten aufriefen, erlangte „Live Killers“ keinen Platz unter den ersten 50.
Dennoch hat das Album einen hohen Stellenwert in meiner eigenen Plattensammlung. Ist in meinen Augen gar eine der besten Live-Platten überhaupt. Kommen wir zunächst zu den persönlichen Bezügen. Es muss ca. 1990 gewesen sein, als ich unter dem Weihnachtsbaum eine Doppel-CD – damals noch in klobigen Hüllen, die sich deutlich vom Single-Case unterschieden – hervorzog. Zur Verwunderung aller Anwesenden war „Live Killers“ in diesem Jahr das beste Geschenk und schlug damit das Piratenschiff von LEGO.
Statt mit Weihnachtsliedern wurde die Familie also mit „Brighton Rock“ und der schnellen Version von „We will rock you“, die mich in ihrer Rotzigkeit völlig entgeistert zurückließ, dauerbeschallt.
Und ja, es wäre leicht, das per Echo harmonisierte Solo zu Beginn von „Brighton Rock“ genau so wie Taylors Drumsolo bei „Keep Yourself Alive“ als unerträgliches Posertum bloßzustellen. Genau wie die sinnentleerten Ansagen Mercurys, die zu großen Teilen aus Füllworten wie „Yeah“ oder „Alright“ bestehen.
Nur: Wenn der Queen-Fan ehrlich mit sich selbst ist, dann ist es doch genau das, was er hören will. Zur Schau gestelltes Können und eine Pose, die nur so trieft. Nicht umsonst stand auf alten Platten – bis zu „The Game“ von 1980 – „No Synthesizers! auf den Sleeves. Und – auch das ist auf der Platte zu hören – so doof die Ansagen scheinen, dem Publikum ist es egal. Freddie hat die Menge wie üblich in der Hand. Der Band aus der Einsilbigkeit des Frontmanns einen Vorwurf zu stricken wäre ähnlich verfroren wie Kiss die Maskerade übel zu nehmen. (Was ich übrigens tat, stellte ich mir ob der Optik KISS stets härter und aggressiver vor, als sie tatsächlich jemals waren – aber dies ist eine andere Geschichte.)
Unschlagbar auch die Zusammenstellung der Platte. Natürlich werden manche den einen oder anderen Song vermissen. Dennoch bietet „Live Killers“, aufgenommen an verschiedenen Spielstätten während der Tour zu „Jazz“, ein „Best Of“ der frühen Jahre, dass sich nur peripher von der schon zwei Jahre später erschienenen „Greatest Hits“ unterscheidet – und das fast ausschließlich durch Songs wie „Another One Bites The Dust“ oder „Crazy little Thing called Love“, die nunmal erst später entstanden. Eben deswegen ist das Doppel-Album ein Querschnitt der ersten hochkreativen Queen-Phase, die mit „Jazz“, der letzten Produktion mit Roy Thomas Baker, abgeschlossen wurde. Alle bisher erschienen offiziellen Live-Alben widmeten sich den 80er-Jahre-Queen, da ist dem 70er-Jahre-Queen-Fan „Live Killers“ selbstverständlich heilig.
Ein anderer Vorwurf, der „Live Killers“ entgegen gebracht wurde, ist natürlich legitim. Eine pompöse Band setzt sich hier ein selbstverliebtes Denkmal, so dass die Musiker zwei Jahre nach der Punk-Revolution wie dahinsiechende Dinosaurier wirken konnten.
Und so steht „Live Killers“ als Abschluss der kreativsten Phase der Erfolgsband, als Abgesang auf den Glam und die Posen der 70er – und ist darin unschlagbar. Und der Chartserfolg damals – Platz 3 in England – gab der Band recht.