Vernunfts-Rebell

Der etwas seriösere Teil der Libertines, Carl Barât, versucht es nun mit einem Solo-Album.

Ihn einen Universalgelehrten zu nennen, wäre übertrieben. Hedonist trifft es besser. Carl Barât raucht Marlboro Lights, trägt klackernde Absatz-Schuhe zu schwarzer Hose und blau-geringeltem Matrosenhemd – sein Auftreten lässt sich als britisches Understatement verstehen. Für jemanden, der mit Pete Doherty in einem zwei Alben umfassenden, tosenden Donnerwetter die Nullerjahre durcheinanderwirbelte, ein Buch veröffentlichte, in einem Film Gene Vincent verkörperte und neben Arcade Fire mit den wiedervereinten Libertines überzeugte, ist er erstaunlich bescheiden.

Sein Solo-Album kommt ausgesprochen unlibertinesk daher. Kein Krach, kein Schmutz, kein Exzess. Dafür gibt es auf „Carl Barât“ famose Glockenspiel-Vorhänge, die um die Stimme des einstigen Wüstlings klimpern. Die Piano-Polka „The Fall“ – Neil Hannon von The Divine Comedy half bei der Komposition – erzählt mit den eingeworfenen Oboen, dem knisternden Feder-Hall, den Pizzicato-Geigen ein erstaunlich traurig-schönes Trennungsmärchen.

Barât hat es fertig gebracht, ein anrührendes Pop-Album zwischen Verlassen-Sein und Neubeginn zu schreiben – „an ending fitting for a start“. Unglücklich und einsam sei er durch Amerika getourt, habe Solo-Konzerte gespielt. Beim Studieren der Liner Notes einer Leonard-Cohen-Platte fand er in dem kanadischen Poeten einen Verbündeten. Cohen, eine Trennung resümierend, stellte ganz pragmatisch fest: „But she gave me a song.“ Mit einem breiten Grinsen ergänzt Barât: „Für ein ganzes Album hat es dann doch nicht gereicht, so spendabel ist die Dame nicht gewesen.“

Barât war immer der Vernunfts-Rebell, wenn auch kein Stubenhocker. In „Threepenny Memoir“ resümiert er seine Zeit mit den Libertines: Oft liest es sich wie ein Schelmenroman, die Abenteuer zweier Strolche erzählend – nur eben mit Crack-Pfeife und Rock ’n‘ Roll. So verbrachten Barât und Doherty eine Nacht in einer Zelle – sie hatten ein Mofa geklaut und wurden unglücklicherweise von der Polizei abgefangen. Bei den Angaben des „Berufs“ waren sie „Schauspieler“ und „Poet“ – zumindest eine Nacht lang.

Haben die Libertines eine Zukunft? „Vielleicht machen wir wieder gemeinsam Musik – vielleicht nächstes, vielleicht übernächstes Jahr.“

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