Uwe Kopfs Typewriter: Scholzomat ade!
Der Hamburger SPD-Bürgermeister hat eine ähnliche Karriere hinter sich wie Elvis - und die neue Haar-Insel steht Olaf Scholz auch ganz ausgezeichnet
Wenn Olaf Scholz spätestens 2021 der nächste SPD-Bundeskanzler wird und ganz Deutschland wissen möchte, wie er angefangen hat, dann werde ich sagen können: „Ich bin dabei gewesen und es war fürchterlich.“ Olaf und ich sind im selben Stadtteil zur Schule gegangen, Hamburg-Rahlstedt, gelegen im Osten der Stadt. Während der 70er-Jahre hieß es: „Kommst du nach Rahlstedt, vergiss den Schlagring nicht“, denn dort herrschten die Rocker. 1975, mit 17, trat Olaf in die SPD ein und gehörte also zu den Jusos, die eine Schulaula mieteten, um mit Interessierten über das Ende des Vietnamkriegs zu diskutieren; auch Olaf redete ein paar Minuten lang, seine Sprache war so tot wie Lyndon B. Johnson.
Neben mir saß mein Kumpel Piet, der damals Kommunist werden wollte und beim Klassenfeind spionierte, und Piet sagte: „Kuck mal, hör mal, Olaf hat gerade erst in der Partei begonnen und schon ist er ein SPD-Roboter. Der wird mindestens Minister.“ Mit seinen Locken ähnelte Olaf noch dem Folkpopsänger Steve Forbert („Romeo’s Tune“), und wenn er kurz lächelte, dann schien er sich vertan zu haben und bedauerte es. Er roch bis in die letzte Saalreihe nach Ehrgeiz und Strebertum, die Mädchen mochten ihn trotzdem (oder deshalb?). Olaf Scholz stammt aus Osnabrück, wo Heinz Rudolf Kunze aufwuchs – die Osnabrücker können sehr oft fallen und dennoch wieder aufstehen, Hemingway wäre begeistert.
Olaf soll später ein SPD-Linker gewesen sein, heute grinst er über seine Irrtümer, ja, er hat sich das Lachen angewöhnt (antrainiert?). Die Hamburger Bürger haben ihn schon zweimal zu ihrem Meister gewählt, jetzt wieder vor zwei Monaten, er wird gemeinsam mit den Grünen regieren: Die Hamburger achten ihn nicht nur, sondern lieben ihn sogar ein bisschen. Scholz betritt ein Restaurant und hat alle Sympathien. Er dürfte wie der Genosse Helmut Schmidt wohl auch Zigaretten am Tisch rauchen, der Wirt und die anderen Gäste hätten nix dagegen. Wie konnte das geschehen, wie kam Glanz in Scholz? Es liegt an Britta, seiner Frau, sagen Beobachter.
Sie hat ihn überredet, sein Herz nicht mehr zu verstecken; er scheint sogar manch eine Vision zu haben, obwohl Schmidt immer noch meint, Visionen seien was für Verrückte. Die meisten Hamburger möchten, dass die Olympischen Sommerspiele 2024 in Hamburg stattfinden, der Optimismus, diese Aufgabe bewältigen zu können, ist durch Scholz entstanden, Hamburg hat Berlin als Bewerber ausgeschaltet, aber die Hamburger vergessen, dass Scholz nicht mehr in der Stadt sein wird, wenn das ganz Unwahrscheinliche passiert und die Spiele tatsächlich an Hamburg gehen.
Das Wort „Apparatschik“ entstand nach der russischen Oktoberrevolution und bezeichnet ein Parteimitglied, das funktioniert, weil es gehorcht, ohne selbst zu denken. Der Apparatschik Scholz bekam einen eigenen Namenszusatz: „Scholzomat“. Die meisten Politiker hätten die Last dieses Spotts nicht ertragen und aufgehört. Scholz ist Jurist, blieb aber in der Politik, überwand den Scholzomaten in sich und wurde sozusagen Olafayette, angelehnt an Bernard Lafayette, den Begleiter Martin Luther Kings, der für Frieden, Freiheit und Anstand steht.
Die Hamburger schauen zurück und fassen kaum, was ihr Olafayette vor seinem Wandel tat. Als Innensenator entschied er: Brechmitteleinsatz bei Dealern und so Beweise sichern, denn die Verdächtigen haben vielleicht mit Drogen gefüllte Kügelchen geschluckt! (Ein Dealer starb durch die Zwangsmaßnahme, da war Scholz allerdings nicht mehr im Amt). Für die Zeitungen und Fernsehsender trug Scholz dann eine Schutzweste und ließ sich von einem Polizeihund anfletschen und anspringen. „Ich wollte nicht nur die Papierlage kennen, sondern wissen, wie man sich fühlt. Das war spannend“, erklärte Scholz. Er hatte nicht begriffen, dass er wie ein Zuhälter mit seinem Kampfhund wirkte.
Olaf Scholz ist hinterher Bundesminister gewesen, was der Kommunist Piet schon 1975 voraussagt hatte, Scholz machte den SPD-Generalsekretär für Schröder und war eigentlich fertig, als Schröder 2005 aus der Politik verschwand. Scholz’ Comeback in seiner Grandiosität lässt sich vergleichen mit Elvis, als der nach der Filmerei endlich wieder ernsthaft musizierte und seine Frisur änderte: Die Haare flatterten und waren nicht mehr so fixiert wie jetzt bei Angela Merkel. Auch Olaf Scholz unternahm was am Kopf, der Frisör rasiert nun die Büschel an den Seiten und die Haar-Insel vorne; die Clownsfrisur passte zum Scholzomaten nur.