Utopie der Schönheit
SIE HABE ES HALT LEICHter als andere, aber am Ende sei sie nur interessant, weil sie die Tochter ihres Vaters ist -so lautet der böseste unter den vielen bösen Sätzen und Vorurteilen, die wohl jeder schon mal gehört hat, wenn das Gespräch auf Sofia Coppola kam. Diese junge Frau, immerhin auch schon über 40 und mit fünf, vielfach preisgekrönten Spielfilmen als Regisseurin längst etabliert, wird sich nie ganz aus dem Schatten ihres Vaters lösen können. Eine höhere Tochter eben. So geht das Gerede weiter: Geboren mit Silberlöffel im Mund, ein desinteressiertes Luxusgirl, das die Bekanntschaften des Vaters dazu ausnutzt, um sich interessant zu machen -und seine Shopping-Touren künstlerisch zu verbrämen. „Lost in Translation“ sei 2003 ja ganz gut gewesen, aber doch irgendwie dünn, „Somewhere“ höchstens noch von oberflächlichem Witz. Den Goldenen Löwen habe sie damals ja nur gewonnen, weil ihr Ex Tarantino in der Jury saß, und ihre anderen Filmen seien so hohl und oberflächlich wie die ganze Frau. Wenn es mal einer gut meint, schreibt er von „angeborenem Adel“ und kleinem Schwarzen.
Warum ist es so schwer, Sofia Coppola einfach als gute Filmemacherin zu sehen? Schönheit steht unter Verdacht. Was schön ist, muss wohl böse sein, oder zumindest oberflächlich und seicht. Das Gute, Kluge, künstlerisch Wertvolle hat hart zu sein und schwer, muss errungen werden. Wer nie sein Brot mit Tränen aß …Das kann Sofia Coppola nicht bieten. Sie hat keine Lust, den Leuten zu servieren, was sie haben wollen: „Es wird immer welche geben, die meine Arbeit nicht verstehen“, sagt sie, „aber ich werde nicht aufhören, die Dinge so zu machen, wie ich es für richtig halte.“ Wenn das ein Haneke sagt oder Godard, dann ist es nicht der Rede wert, bei einer jungen Frau wie Coppola findet man das arrogant.
Die eigentliche Provokation von Coppolas Art des Filmemachens liegt aber woanders: darin, dass diese Regisseurin die Inhalts-und Themenlastigkeit, das Content-und Plotdogma des zeitgenössischen Kinos einfach nicht akzeptiert. Kino heißt zeigen, nicht erzählen. Bilder statt Erklärungen, Musik statt Worte. Worte sind überbewertet. Genau darum sind ihre wort-und erklärungskargen Filme, wie „The Virgin Suicides“ (1999), „Marie Antoinette“ (2006) und jetzt „The Bling Ring“ auch die deutlich interessanteren, weil radikaleren, ohne Zugeständnisse an die Freunde des Kunsthandwerks. Immer wieder stellt Coppola sich eine zentrale und wichtige Frage: Wie erzählt man von Inhalten ohne Plot? Ohne Psychologie? Ohne Moralisieren? Coppola akzeptiert die Differenz von Sein und Schein, von Form und Oberfläche nicht, sondern ebnet sie ein. Das wirkt dann so, als seien ihre Filme reine Oberfläche, nur noch Form. Tatsächlich aber setzt sie beides gleich, parallelisiert, entdeckt sie im Sein den Schein, und im Schein das Sein.
„The Bling Ring“ erzählt eine Geschichte nach, die kürzlich die Promiwelt von L. A. erschütterte: Eine Gruppe von Highschool-Mädchen und aus wohlhabenden Verhältnissen war über Monate in die Villen von Glitzerstars wie Paris Hilton und Lindsay Lohan eingedrungen und hatte dort teuerste Markenklamotten, Schmuck und Geld mitgehen lassen. Von Einbruch möchte man trotz allem kaum sprechen, denn zu den vielen Merkwürdigkeiten des Falls gehört, dass nie ein Fenster eingeschlagen oder sonstwie Gewalt angewandt wurde, nie heulte irgendeine Alarmsirene. Die Promis gingen mit ihrem Hab und Gut offenbar überaus leichtsinnig um: Bei Paris Hilton lag der Schlüssel unter der Fußmatte, bei anderen standen Fenster oder Türen offen. Wann sturmfrei war, posteten die Stars gleich selbst auf Facebook.
Coppola erzählt daher aus Sicht der Kids, die das Einbrecherdasein als Gang in den Candy-Store erleben, mit mehr als einem Hauch von „Bonnie &Clyde“ – und doch ist alles noch mehr eine sarkastische Satire auf Konsumrausch, Medienkultur und Promiwahn. Da Coppola ein Genie der Schauwerte und der Oberflächen ist, stellt „The Bling Ring“ auch die Obszönität des Luxus mancher Superreicher aus: Immer wieder sieht man wohnzimmergroße Kleiderschränke mit Haute-Couture, Kisten voller Schmuck, champagnerflaschengroße Flacons mit Edelparfüm -Qualität in Quantität und zwar einem Ausmaß, das einen König Midas neidisch machen muss. Moralfragen bleiben in dem hochgradig unterhaltsamen „The Bling Ring“ weitgehend außen vor. Die Jugendlichen werden zwar irgendwann erwischt und verurteilt; Coppola selbst aber urteilt nicht -ihr Blick auf die Kinder der Wohlstandsgesellschaft ist so neidisch wie fassungslos. Sie zeigt eine Handvoll Menschen, die sich nehmen, was sie wollen -wie ruchlose Kapitalisten. Also Figuren, die man, wenn es um Moral und Politik geht, verdammen sollte. So kann man argumentieren. Trotzdem falsch: Denn Coppola zeigt nicht Kapitalisten, sondern Hedonisten. Sie zeigt Gesten und Posen, zu denen die der Coolness ebenso gehören wie die des Genusses, der Lust, der Gegenwärtigkeit, des Ästhetizismus, der Moralkritik. Die Kids, die im Zentrum des Films stehen, sind von Anfang an Verlorene. Das, was sie ihrer Gegenwart, ihren Eltern, Moral und Recht ihrer Gesellschaft entgegenhalten, ist die Utopie des Schönen um seiner selbst willen – Coppola ist vor allem eine Romantikerin.