Urschrei-Therapie

13 Jahre nach ihrem letzten Jayhawks-Album haben Mark Olson & Gary Louris wieder kooperiert.

Es ist keine Jayhawks-Reunion! Das muss man gleich am Anfang sagen. Mark Olson und Gary Louris singen wieder zusammen, aber sie tun es allein, mit dem Blick nach vorn. „Wenn du neue Songs spielen willst, ist es sehr schwer, mit dem Namen Jayhawks nach draußen zu gehen“, erklärt Olson, „die Leute wollen einfach nur die alten Sachen hören. Aber wir möchten etwas tun, das relevant ist und uns eine gute Grundlage für die Zukunft gibt.“

Der feste Wille, langfristig zu planen, unterstreicht, wie glücklich Olson und Louris über ihre Reunion sind. Und tatsächlich geht hier ja in erster Linie um diese beiden Männer, deren Leben eng miteinander verwoben sind. Durch eine gemeinsame Geschichte, die vor 13 Jahren abrupt endete. Durch eine außergewöhnliche Chemie beim Singen und Komponieren. Und durch einen Sound, der zu Beginn der Neunziger von Minneapolis aus das musikalische Gesicht der USA durchaus ein bisschen veränderte. „Einige meiner Freunde sagen mir, die neue Platte klingt nicht nach den Jayhawks, aber ich glaube, dass das nicht stimmt“, sinniert Gary Louris. „Sie klingt für mein Empfinden nach den Jayhawks ca. 1990, bevor wir uns für die großen Plattenfirmen aufgepumpt haben. Das war eine tolle Zeit, weil wir gerade entdeckten, dass wir einen ganz eigenen Sound kreiert hatten. Als wir jetzt aufgenommen haben, sind wir dahin zurückgekehrt – wir beide in einem Raum, keine Kopfhörer, keine Overdubs.“

Ein bisschen Chronologie: Irgendwann 2002 — sieben Jahre nach dem Ausstieg Olsons — bat ein gemeinsamer Freund Louris und Olson, einen Song für einen Film namens „The Rookie“ zu komponieren. Eine Chance aufVersöhnung? „Ich fuhr zu Mark raus nach Joshua Tree, und wir brüllten uns zwei Stunden lang an“, erinnert sich Louris. „Es war wie eine Urschrei-Therapie. Insgesamt habe ich eine sehr bizarre Situation in Erinnerung — der 11. September lag noch nicht lang zurück, ich saß in dieser Wüste, im Radio sprachen sie von Milzbrand-Anschlägen — alles sehr apokalyptisch. Und, na ja, wir hatten einige Jahre nicht miteinander geredet. Mark hatte die Band verlassen, um mit seiner Frau Musik zu machen, das war eine monumentale Entscheidung. Wir beide hatten dieses Loch in unserem Leben. Aber nach dem Brüllen gab es keinen Blick mehr zurück. Wir setzten uns hin und schrieben den Song.“

Erst gute zweieinhalb Jahre später standen Louris und Olson gemeinsam auf der Bühne und spielten eine — wie beide sagen — begrenzt gelungene Tour mit Backup-Musikern von Olsons Creekdippers. Bei der zweiten Tour platzte dann der Knoten, weil die alten Freunde allein auf der Bühne standen. Um im Geschäft zu bleiben, musste eine neue Platte her. Olson: „Viele der neuen Songs haben mit unserer Geschichte zu tun — wir haben einfach erkannt, dass unser gemeinsames Schreiben wirklich etwas sehr Besonderes ist. Wir werden älter, und wie viele Chancen werden wir haben, es noch einmal zu tun? Es gab eine gewisse Dringlichkeit in dem Prozess.“

Als Produzent für die im Winter 2007 geschriebenen Songs stieß Chris Robinson dazu, der auf gemeinsamen Tourneen der Jayhawks und Black Crowes ein Freund geworden war. Auf „Ready For The Flood“ geht Robinson behutsam mit den akustischen Liedern um, addiert allerdings vorsichtig Sixties-Elemente, die die sehr direkten, sehr schönen Songs von Louris und Olson in ein etwas anderes Licht rücken. „Die Leute, die in den Sechzigern Songs geschrieben haben, hatten ein Handwerk gelernt. Es kamen dann andere Sounds dazu, es wurde experimentiert, aber meistens nicht so, dass die Struktur des Songs wirklich zerbrochen worden wäre“, erklärt Olson.

In den einzeln geführten Gesprächen tritt die Unterschiedlichkeit der beiden zutage. Auf der einen Seite Olson, der Protestant skandinavischer Abstammung, der klare Aussagen introspektiven Betrachtungen vorzieht. Nein, er blicke nicht zurück, das würde ihn unnötig verwirren, meint Olson und mag sich nicht äußern zu Victoria Williams und Scheidung. Auf der anderen Seite Louris, der Katholik, der poetischer spricht. Dass auch der künstlerische Ansatz entsprechend unterschiedlich ist, wurde nach dem Split der Jayhawks deutlich: Louris zog es zum Pop und zur Poesie, während Olson seine Creekdippers ausfransen ließ. Louris: „Wenn eine von Marks Zeilen fünf Wörter zu lang ist. ändert er nicht den Text, sondern die Melodie. Er macht mich locker, ich gebe unseren Songs Präzision und Balance. Es fühlt sich an, als wäre das fehlende Teil des Puzzles wieder da.“

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