Unsterbliche Lieder: fünf bewegende Alben über den Tod
Wenn Musiker sich intensiv mit der Vergänglichkeit auseinandersetzten entstanden oft unsterbliche Alben - mal verzweifelt wie bei The Antlers oder Sufjan Stevens, mal kathartisch wie bei Arcade Fire oder Lou Reed.
Arcade Fire – „Funeral“ (2004)
„My family tree’s losing all it’s leaves“: Weil plötzlich lauter geliebte Menschen aus ihrem Leben verschwanden, nannte die noch junge Band aus Kanada ihr Debüt „Funeral“. Régine Chassagnes Großutter Alice war im Juni 2003 verstorben. Win and William Butlers Großvater, der Musiker Alvino Rey, starb im Februar 2004, kurz darauf gefolgt von Richard Reed Parrys Tante im April desselben Jahres.
Isolation, Wut, Verleugnung, Depression und Akzeptanz
Die amerikanische Ärztin Elisabeth Kübler Ross hatte bereits in den 60er Jahren fünf Stadien beschrieben, die Menschen im Angesicht des Todes durchlaufen. Auf „Funeral“ wurden sie alle in emotionales Songwriting übersetzt: Isolation, Wut, Verleugnung, Depression und am Ende: Akzeptanz.
Am Anfang steht der Schock über den Verlust, verpackt in fantastische Geschichten über Kinder in einer Welt ohne Erwachsene („Neighbourhood #1“) oder den tiefen Fall des älteren Bruders, den die Eltern besser „Laika“ hätten taufen sollen („Neighborhood #2″), nach dem Hund, den die Sowjetunion 1957 als erstes Lebewesen ins All schoss, und der da oben in der Dunkelheit einsam zugrunde ging.
Kathartisch hinausgeschleuderte Angstfantasien
Oft überschlägt sich Wil Butlers Stimme, oft klingt es, als befinde er sich an der Schwelle zum Wahnsinn. Songs wie „Wake Up“ sind kathartisch hinausgeschleuderte Angstfantasien: „I can see where I am goin’ to be when the reaper he reaches and touches my hand“.
Im letzten Song findet sich Chassagne auf dem Rücksitz eines Wagens wieder, zum ersten Mal fällt der Name ihrer Großmutter: „Alice died In the night/ I’ve been learning to drive/ My whole life I’ve been learning how“. All der Eskapismus, all die Gewalt- und Selbstmordfantasien scheinen doch noch im Versuch zu münden, das Unvermeidliche zu akzeptieren.
Ob das jemals gelingen kann, bleibt offen. Am Ende dämmert aber zumindest die Einsicht, dass die Rebellion gegen die Eltern vielleicht doch nur eine Rebellion gegen die ungeliebten Wahrheiten des Erwachsenwerdens war: „People say that you’ll die faster than without water/ but we know it’s just a lie, scare your son, scare your daughter/now here’s the sun, it’s alright! now here’s the moon, it’s alright!“