Unsertürkischer Nigger
Sein Gangsta-Look lässt Omis nach ihren Handtaschen greifen, und wenn er in Talkshows Tacheles redet, dann werden rechte Politgreise vor Groll sprachlos. Kultautor Feridun Zaimoglu, Türke mit deutschem Pass, provoziert primär dadurch, dass er die Sprache seiner Landsleute spricht. Und zwar nicht so, wie der nette Gemüsemann von nebenan, sondern so krass wie türkische Getto-Kids. Wenn der Grüne Cem Özdemir Traumschwiegersohn aller 68er Mütter ist, dann ist Zaimoglu deren Albtraum
Keiner bringt in der Ausländerdebatte rechte und linke Politiker gleichermaßen so in Rage wie Feridun Zaimoglu, der „Malcolm X der Türken in Deutschland“ („Zeit“). Kein anderer Migranten-Autor lässt Renommierverlage so heftig um die Taschenbuchrechte streiten. Kurzum: Keiner wird im deutschen Feuilleton derzeit so breitgetreten wie der 36-jährige Kieler. Im Gespräch mit ihm geht es daher nicht nur um den gnadenlosen Rächer an der multikulturellen Gesellschaft, sondern auch um den Menschen dahinter.
Kiel. Sackbahnhof. Feridun Zaimoglu will mich am Bahnsteig abholen. Was, um es gleich zu sagen, nicht zu seinem Standardservice für Journalisten gehört. Da hätte er gut zu tun. Das in ein paar Stunden eintreffende Team von Bettina Böttingers WDR-Sendung „B. Trifft“ wird sich schon alleine zurecht finden müssen. Genau wie ich vor drei Jahren, als ich Zaimoglu im Auftrag der „Woche“ besuchte. Sein erstes größeres Interview für das, was er manchmal noch „bürgerliche Presse“ nennt. Sein Buch „Abschaum“, die Lebensbeichte eines real existierenden türkischen Kleinkriminellen, war gerade erschienen. Und es hatte mich begeistert wie kein anderes Buch in den 90er Jahren, weil es Aspekte deutscher Realität darstellte, die in ihrer unglaublichen Brutalität sicher nicht für Jedermann zu packen waren, die aber wundersamer Weise nicht, wie in politisch korrekten Kreisen üblich, gleich wieder mit einem automatisch nachfolgenden Schwall von Betroffenheit relativiert wurden.
Als ich Zaimoglu dann in einem kalten Keller auf einer muffigen Couchgarnitur gegenüber saß (in seinem WG-Zimmer langweilte sich derweil eine türkische Wüstenblume), zeigte er sich weniger als der befurchtet eindimensionale „angry young man“ denn als romantischer Idealist – der sich selbst allerdings am meisten darüber amüsierte, dass er in der breiten Öffentlichkeit gerade die Rolle des flammende Reden schwingenden Türken-Bürgerrechtlers übernahm.
Zuerst wußte ich nicht, ob er seine Rolle nur spielte. Oft musste ich ihm bloß ein Stichwort geben – und schon ging es minutenlang ohne Punkt und Komma ab. Nur: Alles hatte Hand und Fuß. Was ich halbwegs einschätzen zu können glaubte, nachdem ich zuvor selbst einige Einwandererkinder kennengelernt hatte, die das Wort Kanake eher als Ehrentitel sahen und sich als „die Nigger von Deutschland“ fühlten. Angenehm an Zaimoglu fand ich auch, dass er sich nur als Repräsentant sah, der zufallig das Los gezogen hatte, auf dem Weg über das Feuilleton ein Stück Öffentlichkeit zu besetzen – um dort das heiße Eisen der „Lüge der multikulturellen Gesellschaft“ anzupacken. Ganz naiv dachte ich: Wem werden die Leute wohl mehr glauben als einem persönlich Betroffenen – auch wenn der sich selber als „Kanake mit Bildung“ spezifiziert?
Weit gefehlt. Nachdem ich Zaimoglu seitdem nur noch zwischen Bundesbeauftragten für Ausländerfragen, SPD-Ministerpräsidentinnen und alten Säcken aus der ersten Reihe der TV-Talkmaster gesehen hatte, war ich meist zwischen zwei Betrachtungsebenen hin und her gerissen: Auf rationaler Ebene musste ich mich ganz einfach fragen, warum diese Leute lieber an ihren selbstgebastelten Homogenisierungen festhalten, als unmittelbar Selbsterfahrenes auch nur mal in Betracht zu ziehen. Auf persönlicher Ebene machte ich mir Sorgen, ob das für so einen Türkenbengel überhaupt der richtige Umgang sein konnte. Ich kannte Zaimoglu nur in genau dem selben Outfit, das meine Migranten-Bekannten in hipperen Sportgeschäften zu annektieren pflegten. Und nun saß er da immer häufiger im schwarzen Anzug. Um so größer meine Erleichterung, als er mich am Bahnsteig, ganz in „Homeboy“ gewandet, erwartet. Er trägt auch noch die selben Klunker, Ringe mit überdimensionierten Halbedelsteinen und die Zuhälteruhr, über die er letztes Mal besonders glücklich war. „Nur 500 Mark“, hatte er gejubelt. Neu an ihm sind lediglich ein beinahe absurd scharf geschnittenes Del Piero-Bärtchen und ein weiterer Stein um den Hals, den er aber erst auf Nachfrage unter dem Pullover hervorfischt. Ein stilisiertes menschliches Auge auf ultramarinblauem Grund. Der Klassiker gegen den bösen Blick. Zaimoglu weiß natürlich, dass er damit Klischees bedient. Er wird daraufhin hinterfragt – oder abgehakt Aber wie auch immer: Er löst etwas aus. Während aus der clcan-cut-Attitüde seines Erzfeinds, Cem Özdemir von den Grünen, etwa so viel Individualität spricht wie aus dem orangefarbenen Anzug des typischen Türken-Müllmanns.
Sähe man Özdemir als Traumschwiegersohn eines jeden ausländerfreundlichen 68ers, wäre Zaimoglu der Albtraum. Doch auch wenn derartige Schwarz-Weiß-Konstrukte natürlich Quatsch sind: Nachdem in den Medien ja genau damit gearbeitet wird, wundert es nicht, dass in dieser Saison eben Zaimoglu anstatt Özdemir der Talkshow-Türke Nummer eins ist – vor allem dann, wenn ein wenig Adrenalin gebraucht wird statt einer Schlaftablette. Parallel dazu schreibt Zaimoglu in jeder halbwegs vernünftigen Zeitung. Und – seltsame Ironie des freien Mitarbeitertums – er wird dann auch noch mal von den dort festangestellten Edelfedern interviewt. Dabei lehnt er in Wirklichkeit die meisten Interviewanfragen ab – und verschwindet statt dessen lieber zu Lesungen. Und das, ohne selbst für die mit ihm befassten PR-Leute erreichbar zu sein. Ein Türke ohne Handy! Wo gibt’s denn so was? Gerade jetzt, wo der nach der Originalvorlage von „Abschaum“ entstandene Film „Kanak Attack“ in den Kinos auf der Kippe zum Vollflop steht. Beim Verleih ist man der Verzweiflung nahe. Zaimoglu hingegen ist sauer, weil man dort meinte, seinen Hinweis ignorieren zu können, dass die Hauptzielgruppe nicht in geringster Weise an etwas scheinbar so Einheitlichem wie „Öffentlichkeit“ beteiligt sei, als dass ein normaler 08/15-PR-Feldzug greifen würde. Dort liest man ja weniger „Die Zeit“ – sondern hat live mit
genau diesen hässlichen Verwerfungen aus „Abschaum“ zu tun, die der Film zumindest nicht ganz glattbügeln konnte. Und zwar nicht nur damit, von bösen Onkels wie dem bayerischen Innenminister Beckstein ins nächste Flugzeug gesetzt zu werden – inklusive der Aussicht, die eigene Kotze cinemascopemäßig an der Innenseite eines Vollvisier-Helms vorgeführt zu kriegen. Sondern auch mit Verhältnissen, die es nach Ansicht vieler Ausländerfreunde gar nicht gibt:Jener Ausländersorte etwa, der man nachts – auch als Ausländer – besser nicht in die Quere kommt.
Ich kann kaum sagen, was ich schlimmer finde. Denn womit der Ausländerfreund arbeitet, ist ja nur das gegenteilige Klischee. Etwa das des braven Gemüsetürken – und seines Sohnes, der sich zwischen zwei Kulturen verirrt. Dabei lernt man solch faustische Betrachtungsweisen ja wohl eher im gehobenen Deutschunterricht. Das heißt, als Türke weiß man nur dann, worunter man zu leiden hat, wenn man zu der Minderzahl gehört, die ein deutsches Gymnasium schon mal von innen gesehen hat.
Wie schon angedeutet, wurde ich allerdings zwischen den beiden Gesprächen mit Zaimoglu nie das Gefühl los, dass er im Grunde eine ähnliche Funktion einnimmt. Dass es weniger um das geht, was er zu sagen hat, als um die Besetzung einer Türken-Marktlücke – in der ein mit Klunkern klimpernder, die Arme schwenkender Orient-Gorilla mal so richtig die Leute erschreckt.
„Stimmt“, sagt Zaimoglu, als wir ins Taxi steigen. „Gestern noch in den Bäumen. Und heute macht er ’ne Lesung. Aber zum Glück geht es ja nicht um die, die mir die Kompetenz absprechen wollen. Es geht um meine Leute. Represent, motherfucker!“
Er schwelgt weiter in Getto-Sprache, während mir die betonierte Innenstadt immer mehr so vorkommt wie ein Wellenbrecher mit aufgesetzter Weihnachtsbeleuchtung.
„Kiel ist Stein gewordener Bolschewismus“, sagt Zaimoglu. „Die Abwesenheit von allem, was einen froh machen könnte.“ Ein paar Augenblicke später lächelt ihn der Verkäufer am Kiosk vor seinem Haus freundlichst an. „Aber das liegt daran“, erzählt Zaimoglu dann, „dass er mich für einen weltberühmten Schriftsteller hält, seit er mal in den JKieler Nachrichten‘ von mir gelesen hat.“ Er lässt sich seinen täglichen Stapel Zeitungen geben: „taz“, „Bild“, „Morgenpost“ und „KN“. Eigentlich hat er gar keine Lust darauf, das alles durchzublättern. Aber das ist eben der Preis, wenn man ständig mit Leuten zu tun hat, die sich über Wissen definieren und einem damit ans Leder wollen. Nachdem er die Tür zu seiner neuen Wohnung aufgeschlossen hat, bin ich erst einmal erleichtert, nicht mit Marx-Gesamtausgaben erschlagen zu werden. Statt dessen gibt es den üblichen Satz von Galatasaray-Fan-Artikeln: Riesenposter, Wimpel und sogar eine Küchenuhr in rot-gelb.
Wir waren vorhin bei deiner Position des „angry young man“ der Türken in Deutschland stehen geblieben. Wie lebt es sich damit?
Das verselbständigt sich so langsam. In der „Zeit“ hab ich mal Benjamin von Stuckrad-Barre kritisiert. Bei einem Schriftstellertreffen in Tutzing kamen dann Moritz von Uslar und Christian Kracht daher: „Benni ist nicht gekommen.“ Ich frage: „Warum denn nicht?“ „Weil er Angst hat, von dir was aufs Maul zu kriegen.“ Ich dachte zuerst, das ist Verarschung. Aber die meinten das ernst Das ist ja wirklich lustig.
Klar, aber es passiert halt auch sehr oft, dass ich aus Talkshows wieder ausgeladen werde, wenn die erst mal Recherchen anstellen. Dann bin ich zu wild. Ich habe dem damaligen Berliner CDU-Innensenator Schönbohm bei einer Veranstaltung auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung ins Gesicht gesagt, dass er ein verdammter Lügner ist. Der behauptete glatt, dass es keine Ausländerfeindlichkeit gäbe. Dass sich die Türken nur selbst isolieren würden.
Wie hat Schönbohm reagiert?
Ich dachte echt, der hetzt jetzt seine Bodyguards auf mich. Aber vor allem konnte die Konrad-Adenauer-Stiftung nicht den geplanten Reader drucken. Weil dann dieser Satz drin gestanden hätte.
Wolf Biermann scheint dir auch irgendetwas nicht zu verzeihen.
Dem bin ich mal in einer NDR-Talkshow in die Parade gefahren, als er sagte: „Nazis gibt es, weil es die DDR gegeben hat.“ Da habe ich gesagt: „Das ist eine sehr dümmliche Anschauung.“ Daraufhin verbündet sich dieser abgehalfterte Kulturbrocken mit Norbert Blüm und Heide Simonis und sagt: „Sie sind doch überhaupt nicht echt“ Heide Simonis meinte, dass ich schlimmer als die DVU sei – und nannte mich eine Schnapsnase und Arschloch. Das Publikum hat mich ausgebuht. Ich war schuld an einem versauten Abend.
Ist das denn nötig, so heftig in den liberalen Konsens zu funken?
Diese Leute zoomen sich einfach ein Klischee heran: den Türken. Das ist meist der nette Kerl, der nur Probleme mit seinem Sozialarbeiter hat. Und bei mir sind sie plötzlich mit kriminellen Türken konfrontiert.
Nur dumm, dass dann oft dieser Political Correctness-Anspruch gebraucht wird, um die eigene Unwissenheit zu kaschieren.
Und ich will einfach mehr liefern ab nur Anschauungsmaterial für politische Korrektheit. Auch wenn ich dadurch manchen Leuten weh tue. Man hat mich mal zu so einem Lichterketten-Jubiläum eingeladen. Auf der Bühne saßen Michel Friedman, Cem Özdemir, Rita Süßmuth, Guido Westerwelle – und ich. Jeder hat eine anständige Rede gehalten. Und ich, haha, gehe da rauf und sage: „Wir sind hier allesamt Nigger.“ Die anwesenden Kanaken haben gejodelt Aber von den Prominenten wurde ich keines Blickes
mehr gewürdigt. Am nächsten Tag traf ich den Joschka Fischer am Frühstücksbüffet. Fragt der mich: „Wie finden Sie denn die Grünen?“ OK, das tut mir ja leid, aber ich musste ihm sagen: „Scheiße!“
Warst du auch in der Schule so ein Stänkerer?
Ich wurde direkt in der Grundschule in München eingeschult. Aber davor war ich zwei Jahre in der Türkei gewesen. Ich habe also fast nichts verstanden. In meinem ersten Diktat hatte ich 46 Fehler. Außerdem kam ich, weil die Eltern fast nichts verdienten, immer mit selbstgestricktem Scheiß daher. Nach Schulschluss wurde ich regelmäßig verprügelt. Vor allem der Umgang mit Mädchen war tabu.
Wie hast du das überlebt?
Durch Abschreiben lassen. Ich musste mich ja sowieso anstrengen. Wegen der Sprache. Und das war dann meine Waffe. Damit konnte ich mir oft Schonung erkaufen. Aber das ging über Jahre. Bis ich zurückschlug. Irgendwann habe ich die einzeln gestellt – und zersemmelt War mir auch egal, dass die sich am nächsten Tag mit ihren Kumpels an mir rächten.
Wie war es auf dem Gymnasium?
Ich war da meist der einzige Turku. Von daher war es das Höchste für mich, die Schule zu schwänzen, mir Schokolade zu kaufen und in der Stadtbibliothek in Nachschlagewerken zu lesen. Von A bis Z. Das war so ’ne beschissene Form von Bildung.
Und wie war das mit den deutschen Frauen?
Ich erinnere mich da an so eine Weihnachtsgeschichte. Meine Freundin nahm mich mit zu ihren Eltern…
Als einen der Weisen aus dem Morgenland …?
… der am Gabentisch nichts zu suchen hatte, haha. Die waren völlig platt, dass die Tochter auf die Idee gekommen war, so einen Typen anzuschleppen. Wir saßen bereits, und dann fiel mir auf, dass der Vater so einsilbig war. Aber er ließ sich nichts anmerken. Bis ihm schließlich der Kragen platzte: „Ein Beschnittener kommt mir hier nicht rein!“
Was war dann der Punkt, an dem es dir, außer um Mädchen, auch noch um etwas anderes ging?
Ich habe einfach entdeckt, dass die freie Rede möglich ist. Und dass es Bücher gibt, in denen Leute tatsächlich so sprechen, wie man’s aus dem Leben kennt.
Wodurch kamst du vom Bücherwurm zur Entwicklung deines eigenen Stils, der „Kanak Sprak“?
Ich saß mit meinem Kumpel Ali von Crime Posse im Studio. Das sind Original-Gangsta aus KieL Er hatte schon stundenlang gesampelt. Und plötzlich fing er an zu stammen. Wie alles anfing. Was er sich erhofft hatte. Er hat richtig in seinem Kanak-Jargon losgelegt Mir ging ein Licht auf: Da spricht einer – und es ist nicht diese Assimilanten-Sprache, sondern die eines hochromantischen Straßenköters. Und ich dachte: Was wäre, wenn plötzlich die zu Wort kämen, von denen bisher nicht die Rede war? Die Zuwandererkinder.
Was ist denn nun dein ganz konkreter Bezug zu Gangstertum und Türkengetto?
Ich kenne ja diese Leute. Ich komme aus den selben Barackenverhältnissen. Ich weiß, wie es ist, wenn man Adrenalinzombie ist. Oder wenn ausnahmsweise die Scheine in der Tasche knistern. Das kam in den 80er Jahren folgerichtig in meinem Umfeld auf: „Wir haben keine Perspektive? Dann schaffen wir uns ’ne Perspektive! Wir werden Gangster!“ Es sind aber keine Gangster. Es sind Kleinkriminelle. MenschenmülL Ich dachte immer: Das geht nicht gut aus. Und dann war es prompt so, dass immer wieder einer fehlte. Abgeschoben. Oder goldener Schuss. Oder sonstwie tot Absurde Tode.
Für Joachim Lottmann von der „Zeit“ bist du mit ein paar Freunden in der Türkenschleuder herumgefahren. Geht so was nicht nach hinten los? Für den waren das dann alles eher Dummbatze.
Der ist dafür verantwortlich, dass mir nun auch hier dieses „Malcolm X der Türken“ anhängt Das hat er doch aus türkischen Zeitungen übernommen. Der Rest war dann typisch: Die Leute kommen mit eigenen Vorstellungen daher und lassen sich durch nichts davon abbringen. Wenn ich mit denen hier herumlaufe und wir treffen zufallig ein paar Leute – Krausköpfe, die als kriminell einzustufen sind und auch so
aussehen – dann phantasieren sie ihren Teil dazu. Dasselbe passiert, wenn sie zu meinen Lesungen kommen. Die sehen meine Ringe und fragen sofort, ob ich die nur hier trage. Ich trage sie, seitdem ich mich kenne.
Seit wann kennst du dich denn?
Weiche von mir, Satan! (zückt lachend den Stein gegen den bösen Blick) Wenn die so was sehen, denken sie: Alles klar! Der macht hier den „hardboiled Kanakster“. Aber es ist nicht aufgesetzt. Das wäre es, wenn ich als Martin Luther King daher käme. Aber ich komme ja mit hartem Stoff. In einer NDR-Talkshow sagte ich: „Ich lasse mir von einer Partei, die in ihren Reihen Schwarzgeldschieber, Lügner und Verbrecher hat, nicht vorschreiben, was ich unter deutscher Leitkultur zu verstehen habe.“ Prompt herrschte Trauer.
Entgegen landläufiger Meinung gibt’s viele Dinge, die man nicht sagen und viele, die’s nicht geben darf. Ich kenne mehrere Türkenkids, die auf einem Polizeirevier stets die Treppe runterfallen… Das kenne ich auch. Ich habe mich schon oft gefragt: Was ist mit dem Gleichgewichtssinn unserer Jungs los, wenn so viele von denen bei der Polizei die Treppe runterfallen?
Wie ist die Reaktion, wenn du so etwas sagst?
Die Reaktion daraufspricht für sich: Einerseits ist „Abschaum“ jetzt Anschauungsmaterial an Polizeiakademien. Andererseits werde ich von den Behörden immer wieder daraufhingewiesen, dass ich ganz vorsichtig sein solL Mehr will ich dazu nicht sagen.
Sprechen wir über „Kanak Attaclc“. Unter dieser Bezeichnung sollte letztes Jahr eine Türken-Karawane durchs Land ziehen — unter Beteiligung von Schriftstellern, Filmemachern und Musikern. Aber dann kam nur ein Filmchen… Alles andere scheiterte daran, dass wir keine der üblichen Unterstützungen bekamen. Außerdem bezog sich dieses ganze Kanak-Ding immer mehr auf mich. Inzwischen rufen Leute an und meinen mich fragen zu müssen, wenn sie das &brt Kanak verwenden. Als ob ich das Copyright daraufhätte.
Genremäßig lief „Kanak Attack“ unter „Türxploitation“. Das war lustig gemeint, trifft aber leider voll den Punkt. Der Film beutet die Verhältnisse eher aus, als dass er damit zu tun hätte.
Muss ich zugeben. Das ist „Kanak Ught . Lars Becker hat das dreckige Element rausgenommen. Andererseits hat er auch immer gesagt, dass „Abschaum“ nur die Grundlage sei.
Trotzdem schade, dass die Chance verpasst wurde, „Tarantino in echt“ zu machen. Stattdessen passt sich der Film dessen Stilvorgaben sogar an.
Haileluja! Das hätte ich nicht besser sagen können. Was ich aber an den Kritiken nicht verstehe – teils waren sie ja überschwänglich, und teils hieß es, der Film wäre wegen der ganzen kriminellen Ausländer das beste Propagandainstrument fiir die CSU – aber niemand hat sich ausgelassen, ob einen der Film bewegt Ärgert es dich nicht, dass du hauptsächlich im Dialog mit dem Linksgetto stehst? Ich war mal bei einer deiner Lesungen, und da dachte ich, ich krieg die Krise, mit was für einer kleinkarierten Correctness-Scheiße diese ganzen Studis im Publikum daherkamen.
In diesem Linksgetto muss ich mich bewegen, da die Multikulti-Industrie ja von diesem Personal gestellt wird. Dann geht es darum: Ist Sprache noch Grundlage unserer Kultur-Piktogramme? Aber wenigstens erwische ich bei der Gelegenheit ein paar von diesen Ausländerreferenten mit ihren starren Gedankenmustern. Daher mein Kampf.Mein Kampf? Das erinnert mich, dass ich auch wissen wollte, wie es mit der anderen Seite steht. Ich versuche, auf vielen Hochzeiten zu tanzen. Deswegen schreibe ich ja auch in der „Welt“. Die hatten neulich ein Diskussionsforum: „Was ist deutsche Leitkultur?“ Den ersten Text hat Friedrich Merz geschrieben. Und ich war, glaube ich, der Nächste. Der Text endete damit: „Wahre Integration kann nur stattfinden, wenn Merz und Konsorten ihren dummen Mund halten.“
Kannst du dank deiner Erfahrung sagen, um was es dem Merz geht, wenn er ein Thema wie „Leitkultur“ anschneidet?
Das sind gut durchdachte, politische Maßnahmen. Wenn einer wie der Merz von deutscher Leitkultur spricht, dann weiß er, dass er damit eine Minderheit denunziert und dadurch den Stammtisch mitnimmt. Wenn Laurenz Meyer, der CDU/CSU-Generalsekretär, im „Focus“ sagt, er sei stolz, ein Deutscher zu sein, dann weiß er, dass das ein Sinnspruch der Rechten ist Andererseits: Wenn Frau Beck, die Bundesbeauftragte für Ausländerfragen, eine Plakataktion startet, mit Afrodeutschen in T-Shirts, auf denen „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ steht, dann weiß ich, dass sie voll in die Falle getappt ist Weil sie zu blöde ist, das zu durchschauen.
Und deswegen musst du in die Bresche springen?
Kommt darauf an. Neulich kam „Chrisma“ an, ob ich nicht Lust auf ein Streitgespräch hätte. Erst habe ich abgesagt. Dann: „Wenn sie ’nen echten Diskussionspartner haben.“ Dann kamen die mit Beckstein. „Yo, motherfuckers!“ Das hab ich mir immer gewünscht. Der hat gesagt: „Wir müssen unterscheiden zwischen Ausländern, die uns nützen und welchen, die uns ausnützen.“ Das werde ich dem um die Ohren hauen.
Vorher kannst du ihn ja fragen, wie du mit deinem Schreibstil beim heute für die Einbürgerung vorgeschriebenen Deutsch-Test abschneiden würdest.
Da muss ich niemanden fragen: Ich würde genauso abschneiden wie vor 30 Jahren. Alles umsonst. Die ganzen Jahre. Der Tester würde mein Diktat hochhalten und sagen: „Sie haben aber wenig gelernt“ „