Lieblingsalben der 80er: Paul Simon – „Graceland“

Kein Album ist wohl so leicht und so schwer zu lieben wie „Graceland“. „Talent borrows, genius steals“, sagt T. S. Eliot, und dass Paul Simon ein Genie ist, steht außer Frage.

„A man walks down the street/ He says, ‚Why am I soft in the middle now?‘“ Eine Erfahrung, die in den Achtzigern wohl viele Ikonen der Sechziger machten. Plötzlich waren sie „soft in the middle“ und fragten sich, wie das passieren konnte. Komisch allerdings, dass ausgerechnet Paul Simon diese Frage tatsächlich stellte, denn er war ja, im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, schon immer soft gewesen. Was wohl auch der Grund dafür ist, dass er die Achtziger, im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, so glänzend überstanden hat.

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Denn während jenes Jahrzehnt für Dylan et al. gemeinhin als Niemandsland gilt, machte Simon mit „Graceland“ natürlich sein beliebtestes, sensationell erfolgreiches Album. Ihm gelang dieses Kunststück nicht zuletzt, weil seine natürliche Tendenz zum musikalisch Leichten, Weichen und zugleich Komplexen mit den Produktionsstandards der Achtziger wunderbar harmonierte.

Während zum Beispiel die Gated-Reverb-Effekte auf den Drums bei, sagen wir, „Empire Burlesque“ wie halbherzige Zugeständnisse an den Zeitgeist klangen, waren sie bei „Graceland“ zwingend, zumal Simon sich bei Musikstilen bediente, die diesen glatten, glitzernden Klang von Anfang an als Wesensmerkmal innehatten. Kein Album ist wohl so leicht und so schwer zu lieben wie „Graceland“. „Talent borrows, genius steals“, sagt T. S. Eliot, und dass Paul Simon ein Genie ist, steht außer Frage.

Paul Simon wusste genau, was er wollte

Seine mühelosen Melodien haben die Leichtigkeit einer freundschaftlichen Unterhaltung, seine Texte sind witzig, konkret und kunstvoll. Hinzu kommt sein Geschmack als Kurator, als formgebender Mastermind, durch den alle Einflüsse gefiltert werden. Denn mit „Graceland“ war er kein Songwriter im klassischen Sinne mehr, sondern er baute seine Songs aus Mitschnitten von Jams, die er in Südafrika aufgenommen hatte. Stunden über Stunden an Rohmaterial, das er später zu Tracks zusammenfügte, über die er dann sang.

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Dass er seinen südafrikanischen Mitmusikern in vielen Fällen die Credits verwehrte, die ihnen gebührten, verleiht diesem makellosen Album eine bittere Note, die in ironischem Kontrast zu seinen süßen Sounds steht. Auf der 25th Anniversary Edition kann man eine alternative Version von „Diamonds On The Soles Of Her Shoes“ hören, die reduziert ist auf Simons Gesang, die Backing-Chöre und Bakithi Kumalos Bass. Wie einfallsreich und aberwitzig diese Bassläufe sind! Wie sehr die Albumversion auch von ihnen getragen wird! Simon selbst hat sie als „magisch“ und „unmöglich zu spielen“ bezeichnet. Einen Credit als Songwriter bekam Kumalo nicht.


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Vielleicht verweist Simons Entscheidung, das Album „Graceland“ zu nennen, auch darauf, wie sehr ihm die Ungleichheit, die im Kern dieses Albums steckt, bewusst war. Aber ähnlich wie Elvis Presley, der sich zum einen schwarze Musik aneignete und durch sie reich wurde und zugleich zum anderen schwarzen Künstlern zu größerer Aufmerksamkeit verhalf, erweiterte Simon mit seiner Mischung der Stile das Vokabular westlicher Popmusik und erschuf etwas aufregend Neues.

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