Unser liebster Engländer. Zum Tod von Chris Howland
Chris Howland alias Heinrich Pumpernickel, der berühmteste Radiomann der Nachkriegszeit, ist tot.
Für Chris Howland war es eine Frage des Berufsethos, die deutsche Sprache nicht richtig zu erlernen. 60 Jahre lang war er die Stimme Englands im deutschen Radio (und Fernsehen) und verkörperte das kauzige Britentum in einer allumfassenden Weise, wie es Michael Caine oder Alec Guinness nie gelingen konnte. Howland, am 1928 in Südengland geboren, war als Sohn eines BBC-Redakteurs die Karriere vorgezeichnet. Tatsächlich arbeitete er bereits 1948 für die British Forces Network, wurde gar Chef-Sprecher. Abentuerlustig kam er 1952 nach Hamburg und bewarb sich dort beim NDR, der den erfolgreichen Jugend-Programmen der Alliierten etwas Vergleichbares entgegensetzen wollte. Schon am 1. September begann Howland, des Deutschen nicht mächtig, als „Schallplattenjockey“ mit seiner Sendung „Rhythmus der Welt“. Die „Spielereien mit Schallplatten“, die er sechs Jahrzehnte lang moderierte, folgten bald.
Von Beginn an umwehte den Engländer der Wind der weiten Welt und eine ostentative Nonchalance: Sein Deutsch mochte komisch sein, aber das Programm bestimmte er. Bald nannte er sich „Heinrich Pumpernickel“, zwei sehr deutsche Namen – seine Hörer verkürzten ihn dann oft zu „Mr. Pumpernickel“. 1954 begann er beim NWDR in Köln, da hatte er sogar schon eine Rolle in Opas Nachkriegskino gespielt: in „Schlager-Express“. Als Engländer vom Dienst trat er in einigen biederen Schwänken auf und in den 60er-Jahren in „Der Schut“ mit Lex Barker und in einigen weniger erfolgreichen Karl-May-Verfilmungen.
Nachdem er von 1959 bis 1961 eine Talkshow im englischen Fernsehen geleitet hatte, kehrte Howland zum WDR zurück und moderierte – zunächst im Hörfunk – seine berühmteste Sendung: „Musik aus Studio B“. Wie geschickt Chris Howland hier durch Adenauers Biedermeier, Beatlemania und deutschen Schlager lavierte, zeigt die erstaunliche Tatsache, dass er bis 1970 im Programm blieb. „Musik aus Studio B“ war nicht der „Beat Club“, aber dank Mr. Pumpernickel auch nie eine spießige Veranstaltung. Ebenfalls von 1961 an moderierte er „Vorsicht Kamera“, den Vorgänger der „Versteckten Kamera“, eine überaus beliebte Sendung. Mit dem Ende von „Studio B“ haderte Chris Howland bis zuletzt – man habe ihn aus dieser Pfründe verdrängt, der Zuspruch der Zuschauer sei noch immer überwältigend gewesen.
1970 investierte Howland in ein Hotel und einen Radiosender auf Mallorca, war insofern wiederum Avantgarde – doch die Projekte scheiterten, und 1975 kehrte er nach Deutschland zurück.
Nun ging der Schallplattenjockey auf Tournee, arbeitete bei diversen Sendern, nahm hin und wieder eine Single auf und war Gast in Talk- und Samstagabendshows. Die Nachgeborenen kannten ihn eigentlich nur als radebrechenden Spaßmacher und Berufsbriten, freilich mit großer Vergangenheit. Denn von den Titanen des Nachkriegs-Fernsehens – Hans Joachim Kulenkampff, Peter Frankenfeld, Hans Rosenthal – war er der schnellste, der skurrilste und lustigste. Erst einem Holländer mit schwerem Akzent, Rudi Carrell nämlich, musste Chris Howland das Feld überlassen. Noch in seinen Erinnerungen „Yes, Sir!“ (2009) blickt Howland wenig sentimental und kaum bedauernd auf das Leben eines Hallodris zurück; die Ankedote war seine natürliche Lebensform.
In der Nacht zum Samstag starb der berühmteste Schallplattenjockey, der liebste Engländer der Deutschen in Rösrath bei Köln, 85 Jahre alt.