Ungefragtes Duzen, leiser House
Unser Kolumnist über den respektlosen Umgang mit Hotelgästen und Tanzmusik
Ich war grade auf einer kleinen Reise in der Schweiz und Österreich, es ging um Theater und um Fliesen, denn – wie viele von Euch wissen – bin ich unter anderem Fliseur, also Fliesenhersteller. Meine kleine Firma heißt „Verein zur Veredelung der Weltoberfläche“. (Ich konstatiere, dass die Weltoberfläche im Norden Europas nur unzureichend und eher geschmacklos versiegelt wurde).
Was mir – nicht zum ersten Mal – unangenehm auffiel, war die Angleichung der Benimmformen und Gepflogenheiten in den Hotels allerorten. So hat es sich seit etwa fünf Jahren durchgesetzt, dass einen das meist eher junge Personal in den Unterbringungen ungefragt duzt.
Zuerst gab es das in Apple Stores. Auf einmal duzten einen die Angestellten der unnahbarsten Firma der Welt. Die Firma, die jedes Steuerschlupfloch nutzt, sich nicht in die Karten schauen lässt und völlig eigenmächtig und desinteressiert an den Wünschen ihrer Kunden vorbei agiert, nimmt sich heraus, mit ihren Kunden wie mit Kindern umzugehen. Anstatt nachzufragen ob das „Du“ genehm wäre wird es einfach ungefragt installiert.
Ich vermute, dass man uns Zwangsamerikanisieren möchte. Dabei soll doch grade das Honorifikum – also die Höflichkeitsform mit dem „Sie“ – dem Gegenüber Ehrung und Respekt erweisen. Das heißt im Umkehrschluss, dass man mich bei Apple weder ehren noch respektieren will. Und diese Respektlosigkeitsform gehört nun also auch zum allgemeinen Umgangston in den meisten Hotels.
Ich habe mir angewöhnt, den jungen Angestellten gegenüber dennoch beim „Sie“ zu bleiben, was diese aber überhaupt nicht irritiert. Sie behalten stupide ihr „Du“ bei und verdrehen dabei die Höflichkeitsverhältnisse. Denn eigentlich sollten die Alten die Jungen duzen und die Jungen die Alten siezen. Zumindest war das früher so.
Zum anderen stört mich die Unart, dass mittlerweile überall in den Hotels und Restaurants, in Fahrstühlen und Frühstückssälen, in Schwimmbädern und Spars, auch in den Parkgaragen unaufgefordert House-Musik läuft. Immer ein leichter pumpender Beat unter, hinter und über allem anderen. Was mich daran am meisten stört, ist die Respektlosigkeit gegenüber der House-Musik. Denn House-Musik will laut sein, erfüllen, durchdringen, beleben. Will, dass man zu ihr tanzt, schwitzt, sich entkleidet, sich an ihr erregt und mit ihr verschmilzt. House-Musik will Sex.
So aber erscheint sie mir gefesselt. Wie ein Rennpferd auf Valium. Ein Spitzenwein ohne Alkohol. Ein Ferrari mit Rasenmähermotor. Wenn, liebe Young Urban Professionals, dann dreht doch die Musik wenigstens auf. Lasst uns tanzen beim Essen, Einkaufen oder Ausparken. Aber dieses ewig feige Gezähmte und Gedrosselte ist einfach nur zum Kotzen.
Autorenbild von Kerstin Behrendt
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