Und in der Nacht wird gebombt
Am Erfolg des Hamburger Trios Dynamite Deluxe zeigt sich, dass über Jahre autonom gewachsene HipHop-Bands nun den Ton angeben.
Mittag im Hamburger Schanzenviertel. Altbohemisten schlurfen zwangsvergnügt und zweckoptimistisch aus den Cafes, aber ihre Vergangenheit scheint ihnen heimlich zu folgen wie die Staubwolke von „Peanuts“ Big Pen. Die Youngster sitzen derweil scheinbar desinteressiert auf dem Rinnstein und schnacken wortarm, aber treffsicher über Situationen, Stile und Gestalten, die auf einmal sehr alt wirken. Im Cafe „Gloria“ warten Dynamite Deluxe, die Shootingstars des deutschsprachigen HipHop. Ihr Debütalbum „Deluxe Soundsystem “ ist auf Platz vier der Charts eingestiegen, bei der Releaseparty an der „Großen Freiheit“ nahe der Reeperbahn waren sagenhafte 2000 Leute da, inklusive der ganzen Familie: Absolute Beginner, Freundeskreis, Ferris MC, Stieber Twins, Massive Töne, Afrob…
Der Goldrausch des hiesigen Hip-Hop ist noch lange nicht zu Ende: Alle Kameras richten sich derzeit auf den exzellenten DJ Dynamite, den begnadeten Beatbastler Tropfund den charismatischen Samy Deluxe, der einer der ersten wirklichen deutschen Rapstars werden könnte. Er schwafelt nicht, der redet auf den Punkt. Als wir über die neue Stufe des deutschen HipHop in Aktzeptanz und Qualität sprechen, und Dynamite sehr sachlich erklärt, dass nun das gleiche coole Zeug wie in all den Jahren zuvor passiere, nur eben auf einem weit höherem Level, sagt Samy ruhig dazwischen: „Erste Woche 25000 Singles verkauft, kann ich da nur sagen, direkt eingestiegen auf 29.“ „Wer, wir?“, fragt Tropf. „Vielleicht ist HipHop in Deutschland jetzt erst ein Bruchteil von dem, was da in zwei Jahren geht“, sinniert Dynamite. Die Biografie des Trios ist zwar sehr individuell, dennoch eng verknüpft mit den anderen HH-Posses. So betonen die Dynamites stets, wie wichtig die Absoluten Beginner für sie gewesen seien oder der frühe „Kill The Nation With A Groove“-Sampler des Buback-Labels, dem sie trotz massiven Majorvertriebs durch EMI heute noch verbunden sind. Das Netzwerk zieht sich über die gesamte Stadt: Das Viertel Eimsbüttel ist als Eimsbush, abgeleitet von dem Brooklyner Stadtteil Fiatbush, ein feststehender Begriff und das Label von „Beginner“ Eißfeldt, mit dem alle irgendwie verbunden sind.
Die Dynamites produzieren ihren Kram selbst, viel zum Leben brauche man nicht, und jede Mark wird sofort ins Studio gesteckt Es geht um autonome Authentizität und gewachsenen Erfolg. Ein falsch verstandener Undergroundgedanke kann da nur hindern, genau wie ungeschriebene Regeln und Purismusprediger, die ewig die Wände ihres Basements anstarren wollen. Samy: „Wir sind nicht diese politisch korrekte Hamburger Schule. HipHop ist viel prolliger und rebellischer. Wir diskutieren nicht, sondern gehen in der Nacht eben bomben.“ Und Tropf: „Wir haben als HipHopper ganz andere Motive und Hintergründe.“
Mittag im Schanzenviertel. In den Plattenläden skippen sich 12-Jährige mit Homeboywear-Ansatz schüchtern und begierig zugleich durch massive Vinylstapel. Die neue Generation übt ihre Instinkte.