Und es ward Sommer – Mit Perfektion und Brillanz führen Steely Dan durch ihre eigene Geschichte

PARISER PLATZ, STUTTGART.

Die Hammondorgel ertastet vorsichtig den Raum, eine neugierige Gitarre kommt hinzu, umspielt vergnügt die Harmonien, die immer zielstrebiger werden, – während ein Bläsersatz in die Gegenrichtung aufbricht. Nach und nach finden sie alle zusammen zu einer wunderbar entschleunigten Version des frühen Steely Dan-Songs „Dirty Work“, der an diesem Abend klingt, als ob ihn Donald Fagen und Walter Becker auseinander genommen und neu zusammengesetzt hätten, um eine Soulnummer aus ihm zu machen, die sich ganz und gar dem betörenden Groove verschrieben hat.

Darüber, warum Becker und Fagen 1974 vorerst mit Steely Dan das Touren einstellten, kursieren verschiedene Versionen. Eine besagt, dass Becker es leid war, wie einige Bandmitglieder das Herumreisen nur als gute Gelegenheit betrachteten, um ihr Genmaterial in der Welt zu verteilen. Eine andere, dass Fagen fand, die Bühnentechnik sei damals noch nicht reif gewesen für Steely Dan. Beide Probleme dürften sich inzwischen erledigt haben. An Zeiten, als Teenie-Groupies Steely Dan noch für eine hippe Rock’n’Roll-Kapelle hielten, erinnert beim Open-Air-Konzert in Stuttgart bestenfalls die Nummer „Hey Nineteen“: Becker unterbricht den Song scheinbar unvermittelt, um davon zu erzählen, wie es war, als solche Sommernächte nicht nur zum Musikmachen gut waren. Während Becker den gemütlichen Onkel mimt, beschränkt sich Fagen darauf, das in der Regel männliche und nicht mehr ganz junge Publikum mit einem coolen „Hi kids!“ zu begrüßen, unter seiner Sonnenbrille hervorzugrinsen und bei jedem Stück des Abends aufs Neue vorzuführen, was Perfektion heißt.

Wie souverän die Band unter Fagens Leitung die hochkomplexen Strukturen eines Songs wie „Aja“ meistert, verschiedene Motive gegeneinander abwägt, ineinander greifen lässt, mit Jazzharmonik spielt und die Klangarchitektur stets transparent erscheinen lässt, ist atemberaubend. .

Die größten Steely Dan-Hits, „Do It Again“ und „Ricky Don’t Lose That Nummer“, sucht man allerdings vergeblich im Repertoire des Abends, das immerhin mehr als 30 Jahre umfasst-von „Dirty Work“ (1972) bis „Godwhacker“ (2003). Man vermisst sie aber auch nicht, wenn einen jede Synkope von „Bad Sneakers“ aus der Fassung bringt, wenn bei „My Old School“ die Bläser plötzlich ein Eigenleben führen, wenn „Kid Charlemagne“ funky wie nie zuvor klingt – oder wenn einem Donald Fagen am Ende in der Pose eines Stadionrockers vergnügt zuwinkt.

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