… und aus Kalifornien
AN YOU CALL ME again in five minutes?“ Wir haben schon 20 Minuten geredet, aber jetzt muss Jonathan Wilson zwischendurch doch kurz mal vor die Kamera, für das Video zur Single „Love To Love“. Später werden sie den Dreh nach Malibu verlegen, ins Haus von Mel Gibson. Dort hat die ruhmhungrige, naive Provinz-Schönheit, die es 1967 unbedingt schaffen will in Hollywood, noch den großen Auftritt, bevor es doch „eher auf ein trauriges Ende“ hinausläuft mit ihr, erläutert Wilson später den Inhalt des Videos.
Die alte Geschichte also, neu bebildert. Wäre er als Musiker nicht auch gern schon 1967 nach L. A. gekommen? Wilson lacht. „Oh, klar doch! Vor Woodstock war der Sunset Strip ja gerade erst dabei, dieser Hot Spot zu werden.“ Aber der Gitarrist, Songschreiber und Produzent aus Thomasville, North Carolina ist Jahrgang 1974 und konnte deshalb erst in der letzten Dekade zum Dreh-und Angelpunkt der Neo-Laurel-Canyon-Szene werden. Den mythenumrankten Hügel hat Wilson inzwischen hinter sich gelassen. Dieses Haus drüben in Echo Park war einfach zu „unglaublich“ für einen Studio-Ausbau, „alles aus Zedernholz, da kriegt man wahnsinnige Drum-Sounds“. Und, unter uns: „So viel war zuletzt auch nicht mehr los im Laurel Canyon.“
Auch am neuen Domizil standen sie gern Schlange, um als Gäste ihren Weg auf sein neues Album, „Fanfare“, zu finden, „definitely natural“ natürlich. Graham Nash und David Crosby, Jackson Browne, Patrick Sansone von Wilco oder die Heartbreakers Mike Campbell und Benmont Tench. Doch der „Höhepunkt des Albums“, so „schmeichelhaft wie aufregend“, war für Wilson dann doch, „Texte von Roy Harper singen zu dürfen“. Schrecklich schöne Zeilen wie „I knew that I couldn’t trust you, but I loved you just the same“, die Harper zu Wilsons Musik für den Song „New Mexico“ geschrieben hat.
Auch Joanna Newsom und die Fleet Foxes hatten zuvor schon ein Loblied auf den 72-jährigen Brit-Folk-Helden angestimmt. Doch war es Wilson, der das immer noch in Arbeit befindliche Tribute-Album „What You Need Is What You Have“ initiierte, um dann in Echo Park auch federführend am neuen grandiosen Harper-Album „Man & Myth“ mitzuwirken. Und nun sogar noch gemeinsame Songs. Hat Harper das in der Form überhaupt schon mal gemacht? Die Erinnerung daran lässt Wilson jedenfalls enthusiasmiert seufzen, falls so etwas möglich ist. „Oh Mann, so was gibt’s nur einmal im Leben. Roy ist ein unglaublich guter Zuhörer. Ein Song ist noch am Anfang, da hat er schon das große Bild im Kopf. Ein Poet mit tiefem Verständnis für die Dinge. Aber als ich seinen Text für ‚New Mexico‘ bekam, überraschte mich, wie viel er auch mit eher einfachen Begriffen sagen kann.“
Heute, bringt Wilson dann die allgemeinere Begeisterung seiner Generation für Harper auf den Punkt, sei es ja „trendy und hip, dem Biz und dem Kommerz ‚Fuck you!‘ zu sagen. Aber er war einer der Ersten, der das wirklich kompromisslos tat.“ Dass dahinter auch eine grundsätzliche Zivilisations-Skepsis stand, vermochte Wilson in seiner Begegnung mit dem jetzt in Irland lebenden Mann aus Manchester nicht zu erkennen. „Jedenfalls war er definitiv nicht skeptisch, als es ins Studio ging“, lacht Wilson, räumt aber ein, dass Harper schon ein „heavy guy“ sei.
Das ist Wilson kaum. Der packt seine Anflüge von Zivilisationsmüdigkeit lieber in leichtfüßige Utopien wie „Fazon“, welche „die Vorstellungskraft beflügeln“. Oder gleich auf das Cover von „Fanfare“, das auf eine iPhone-Spielerei zurückgeht, die Wilson auf Michelangelos „The Creation Of Adam“ stoßen ließ. Auf die berühmten Finger, die sich im Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle noch fast berühren. „Und die Idee war, sie so weit auseinander zu zeigen – wie Gott und die Menschen heute voneinander entfernt sind, weiter als je zuvor. Das ist zumindest mein Eindruck. Es sollte eine subtile, aber starke Botschaft sein.“
So wie die Musik. 1974 wäre „Fanfare“ eins dieser Doppel-Alben gewesen, die man ganz passend zwischen P wie Pink Floyd und Y wie Young, (Neil) einsortiert und bestimmt oft aufgelegt und umgedreht hätte, um sich hier oder dahin beamen zu lassen. Dass er ein jüngeres, downloadgeeichtes Publikum mit diesen knapp 80 Minuten und vielen Songs jenseits von sechs Minuten überfordern könnte, sieht Wilson gelassen. „Das ganze Album hören sich wohl nur Fans oder Journalisten an. Die Leute, denen es zu lang wird, können es ja einfach irgendwann ausmachen und was anderes hören.“ Eine kulturpessimistische Tirade über Bedeutung und Bedeutungsverlust des Album-Formats hätte auch nicht gepasst zu diesem freundlichen, gigantischen Musik-Geist – ob Laurel Canyon oder Echo Park.
Jonathan Wilson stammt aus North Carolina und arbeitet seit zehn Jahren in einem eigenen Studio mit analogem Equipment in Los Angeles, zunächst im Laurel Canyon, dann in Echo Park. Er produzierte ein Album von Josh Tilman (Fleet Foxes), spielte mit Roy Harper, Bonnie „Prince“ Billy und Erykah Badu und trat mit Jackson Browne, Dawes, Tom Petty & The Heartbreakers, Crosby, Stills & Nash und Bonnie Raitt auf. Im Jahr 2011 erschien sein Debütalbum, „Gentle Spirit“. Gerade stellt Wilson ein Tribute-Album mit Songs von Roy Harper zusammen.