Unbehaglich gut
An einem sehr späten Montagabend sitzt die Wiener Künstlerin Eva Jantschitsch in einem engen dunklen Studio des Bayrischen Rundfunks an ihrem Laptop und spielt vor etwa 30 Gästen ein intimes Radiokonzert. Nach „Total Quality Woman“, einem Song von ihrem neuen Album “ Verlass die Stadt“, in dem sie die weibliche Arbeitskraft thematisiert, kratzt sie sich irritiert am Kopf: „Da war jetzt ein Beat drin, den ich gar nicht mag. Da muss der Computer was verwechselt haben.“ Wie? Ein Computer, der sich vertut? Menschliche Maschinenmusik? Die Sprache ins Leere laufen lassen, kulturelle Klischees und Strategien unterwandern – das ist Jantschitschs Methode. Daher hat sie sich auch Gustav genannt (ihr Vater hatte eigentlich einen Jungen gewollt), spielt in ihren Texten mit Geschlechterrollen und gibt sich gern tomboyish. Sie inszeniert Widersprüche und macht auch vor Konzepten nicht Halt, von denen man immer dachte, sie würden ihre Heimat Osterreich im Innersten zusammenhalten: Katholizismus und Volksmusik.
Eigentlich ja gut vereinbar, denkt man. Doch wenn man „Alles renkt sich wieder ein“ hört, in dem Gustav apokalyptische Bibelzitate mit volksmusikalischer Heile-Welt-Ideologie mischt und sich dabei von einer Trachtenkapelle begleiten lässt, klingt es halt doch völlig absurd. „Es war sehr interessant, mit einem Klangkörper zu arbeiten, der in mir eher Unbehagen verursacht“, so Jantschitsch. „Die heimattümelnde Musik kommt von einer Position, mit der ich eigentlich ideologisch nicht kann. Und trotzdem ist der Sound ja ganz gut. Das führt zu Irritationen. Auch unter den Musikern der Blaskapelle. Der Song war für sie so absurd, dass sie sich nicht damit identifizieren konnten. Das hört man auch.“
Ihr erstes Album „Rettet die Wale“ von 2004 erhielt damals schon beachtliche Aufmerksamkeit in den Feuilletons und wurde mit dem Label „neue Protestsongs“ gebrandet, doch damit ist sie nicht ganz einverstanden. „Ich würde meine Nummern nicht als Protestsongs definieren, ich sehe sie eher als gesellschaftskritische Texte, die dann musikalische Formen kriegen. Der Gestus einer Protestsängers ist ein anderer. Ich würde mich nicht dazu eignen, Stellvertreterinnen-Stimme zu sein für eine Bewegung. Und letzten Endes behauptet man dann ja auch, dass man weiß, wo’s langgehen soll. Und das behaupte ich ja gar nicht. Ich stell ja nur die Fragen.“