Über das Phänomen der Serie „Star Trek“
Über das Phänomen der Serie "Star Trek" , die unsterbliche Troika Caplain Kirk, Mr. Spock und Dr. McCoy - und warum das ganze All ein Aphorismus ist.
Vor Jahren entdeckte eine Weltraum-Sonde auf der Oberfläche des Mars ein durch Boden-Erosion entstandenes Gesichtsfragment, das den Zügen von Spock erstaunlich ähnelt… Zumindest wäre es ein gerechter Gedanke, in dieser Laune des Kosmos ein Monument für den – noch vor E.T. – populärsten Außerirdischen zu deuten. Der Weise aus dem Weltall ist mit der Ruhe eines Buddhisten und der Ratio eines Rechenschiebers zur Ikone der Trekker geworden ist.
Für sie ist der Kult aus dem All längst eine Kultur im Alltag. Nach irdischem Zeitmaß ist es im September 30 Jahre her, seit die „Enterprise“ via TV aus einem Pappmache-Studio des Senders NBC in den Weltraum aufbrach. 79 Folgen, sieben Filme sowie drei eigenständige Sequels sind seitdem ins Logbuch eingetragen worden. Ihre Wiederkehr aber hat Ausmaße von Äonen angenommen. Und die Anekdoten dazu auch.
Trekker kennen technische und kosmisch-kulturelle Details, die in der Serie selten genannt wurden und für den ordinären Zuschauer nicht von Belang sind. Diese Spezies hat die Serie im eigenen Leben weitergesponnen, und da sie sensibel sind, sollten sie nicht als Spinner gerügt werden. Sie sind das weltliche Pendant zum religiösen Menschen. Ihre Götzen sind die Troika von der Kommandobrücke – der Erste Offizier Mr. Spock, Schiffsarzt Dr. Mc-Coy und Captain James Tiberius Kirk, die Dreieinigkeit der menschlichen Ideale Hirn, Herz und Sex. Über sie werden immer wieder Geschichten in die Umlaufbahn der Medien gebracht: aus der Pionierarbeit des Autors Gene Roddenberry, der „Star Trek“ 1964 schuf und beinahe scheiterte; daß sich der Visionär, dessen Name an Perry Rhodan erinnert, von der Western-Serie „Train Wagon“ und CS. Foresters See-Romane um Horatio Hornblower inspirieren ließ; daß der Pilotfilm „The Cage“ – noch mit Jeffrey Hunter als Captain Christopher Pike – floppte und die Serie erst drei Jahre nach dem Aus im US-Fernsehen zu einem weltweiten Hit wurde; daß sich mit Kirk und Uhura erstmals ein Weißer und eine Schwarze im Fernsehen küßten; daß die Spock-Figur fast gekippt worden wäre – und Darsteller Leonard Nimoy der einzige der Crew ist, der mit Plattenaufnahmen und Regiearbeiten auch ohne „Star Trek“ cool blieb.
„Raumschiff Enterprise“, das ist die unendliche Geschichte über die Leichtigkeit des Universums. Trotz Weiten und Welten, die ein Mensch nie zuvor durchquert hat, kreist die „Enterprise“ stets im Mikrokosmos. Die Identifikation des Zuschauers entsteht über Charaktere, die in einer verschworenen Clique ihre liebenswerten Macken stilisieren und zu einem humorigen Schlagabtausch ausspielen. -Faszinierend“ ist oft die einzige Gefühlsregung des Logikers und Lakonikers Spock, der ansonsten nur bemerkt: „Ich verabscheue Emotionen.“ Den Eiferer und Moralisten McCoy reizt das zu sanften Sticheleien, worauf Spock gerne entgegenet: „Man sollte ihnen den Unterschied zwischen Sturheit und Dummheit erklären, Doktor.“ Herr und Held der „Enterprise“ ist der virile Kirk, ein notorischer Faustkämpfer und Schwerenöter, der John Wayne der Raumfahrt. Sein schönster Satz: „Welten verändern sich, Galaxien verschwinden – aber eine Frau bleibt stets eine Frau.“ Er ist der letzte an Bord und – „Sehen wir uns das mal an“ – der erste auf fremden Boden. Er weiß: „Es ist vieles riskant im Leben, Pille.“ Kirks William Shatner endete wichtigtuerisch und wanstig in einer reaktionären Cop-Action-Serie als „TJ. Hooker“.
Trotz Chauvinismus und Patriotismus ist Kirk die Integrationsfigur einer Truppe, die interplanetarisch das Multikulturelle fortsetzt und sich für Ethik und Frieden durchs All beamen läßt. Sie warnt vor Technikgläubigkeit und mahnt Toleranz an. Gerät das Universum aus den Fugen, hat sie am Ende jeder Episode die Harmonie wiederhergestellt. Die „Enterprise“ hat die Vergangenheit bereist, die Zukunft vorweggenommen – und doch immer die Gegenwart gemeint. Hier ist das ganze Universum ein Aphorismus, und zuweilen ist das Triviale präziser als die Theorie. Die Probleme bleiben sich immer gleich – ewiglich und überall im All.