Udo Jürgens: Der Meister, auch im Tod
Eine kleine Hommage an den großen Chansonnier, der am 30. September 90 Jahre alt geworden wäre – und eine Betrachtung von „Als ich fortging“, dem bisher unveröffentlichten Song
Wir hören noch einmal diese überdeutliche Stimme, die so klar phrasiert. Wie bei Jacques Brel war Udo Jürgens‘ Gesang eine Verlängerung seiner Sprechstimme. Er spricht „Ich weiß, was ich will“ eigentlich, wird immer aufgeregter. Seine Songs steigern sich in Ekstasen oder verklingen im Klavierspiel. Wir hören 90 Lieder auf den fünf CDs von „Udo 90“ – der Titel ist eine Anspielung auf seine berühmteste Platte, „Udo 70“. Die so heißt, weil sie 1970 erschien.
Das 91. Lied auf dieser Anthologie ist „Als ich fortging“. Michael Kunze, einer der begabtesten Songpoeten, hatte den Text für den Song geschrieben, der 1985 für das Album „Treibjagd“ vorgesehen war, aber nicht in das Konzept der Platte passte. Kunze schrieb auch „Ein ehrenwertes Haus“ und „Griechischer Wein“. Udo Jürgens‘ Kinder haben den Song „Als ich fortging“ nun entdeckt – ein Demo mit Klavierspiel und Gesang. Curt Cress isolierte diese Spuren und fügte ein Orchester-Arrangement hinzu.
Udo Jürgens – „Als ich fortging“:
Zehn Jahre nach dem Tod des Meisterchansonniers sehen wir nun Albrecht Schuch durch ein pittoreskes schwarz-weißes Wien gehen. Er trägt ein weißes Hemd und einen Trenchcoat, den er manchmal auszieht. Bleiben oder gehen? „Ich hab noch was vergessen, hier bei dir/ Etwas blieb zurück/ Hinter dieser Tür.“
Und er meint nicht das Poster mit dem Clown oder das Buch, das er immer suchte. Er hat in den alten Briefen gelesen. Alle Wege, singt-spricht Udo Jürgens, führen zurück zu dir.
Im letzten Bild sehen wir eine Frau, hoch oben am Fenster ihrer Wohnung, über die Schulter gefilmt, und den Mann ganz klein unten auf der Straße.
Alle Wege führen zurück
Die berückende Melancholie dieses Liedes ruft Melodien wach: „Merci Chérie“, natürlich, „Immer wieder geht die Sonne auf“, „Was ich Dir sagen will“, „Ich war noch niemals in New York“, „Ich weiß, was ich will“ und „Gaby wartet im Park“. Alle sind enthalten auf „Udo 90″.
Im Booklet erinnern sich an die Autoren Michael Kunze, Oliver Spiecker und Wolfgang Hofer an die Songs, die sie mit Udo Jürgens geschrieben haben. Thomas Hörbiger, der in den 60er-Jahren „Merci Chérie“ und „Siebzehn Jahr, blondes Haar“ mit ihm verfasst hat, lebt nicht mehr.
Aber alle Wege führen zurück zu Udo Jürgens.