„The Joshua Tree“ von U2: 13 Fakten, die kaum einer kennt
Charles Manson, Graffiti, Keith Richards, Drumcomputer und Gott im Saal: Alles, was Sie zu „The Joshua Tree“ von U2 wissen müssen.
„The Joshua Tree“ ist ein Meilenstein der Rockmusik – aber kennen Sie alle Hintergründe zur Entstehung der Platte, den Schwierigkeiten in der Live-Darbietung, und wie Bono und Kollegen überhaupt auf die neue, amerikanische Richtung von „The Joshua Tree“ gekommen sind?
U2: 13 Fakten zu „The Joshua Tree“, die Sie noch nicht kannten
01. Was ist der Joshua Tree?
Mit Veröffentlichung des „Joshua Tree“-Albums wurde dieser „Baum“ weltweit bekannt. Dabei ist der „Tree“ kein Baum, sondern ein Liliengewächs, benannt nach der Josua-Palmlilie.
02. Wo geht’s lang?
Bitte nicht verfahren auf der Suche nach den Foto-Schauplätzen. Fast alle Landschaften und Pflanzen, darunter die – mittlerweile durch Vandalismus ramponierte – Lilie befinden sich nicht im Joshua-Tree-Nationalpark, sondern in der Mojave-Wüste sowie im Death Valley.
Am dortigen Zabriskie Point wurde auch die Aufnahme der atemberaubenden Hügelketten für das Frontcover gemacht, Fotograf war Anton Corbijn. Alle Orte sind auf Fanseiten im Netz lokalisiert, mit detaillierter Google-Maps-Weganleitung.
03. Red Hill Mining Town
Zweite Single sollte ursprünglich nicht das heute als Begehrensballade verehrte „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ werden, sondern „Red Hill Mining Town“ – es wäre das einzige politische Lied der fünf Auskopplungen gewesen. Während die tatsächlich veröffentlichten Singles um die Suche nach Liebe und Spiritualität kreisen, behandelt „Red Hill Mining Town“ den Britischen Bergarbeiter-Streik 1984/1985.
Obwohl Neil Jordan bereits ein Video drehte, wurde der Song dann doch nicht ausgekoppelt, und erst bei der „The Joshua Tree Tour 2017“ feierte er seine Livepremiere. Bono beklagte einst die hohen Töne, die er auf der Bühne nicht hinbekam; Adam Clayton monierte die Geschwindigkeit, die den Song in jeder Setlist schwer zu verkaufen mache, er stehet für eine „Midtempo Malaise“. Der Song erscheint zur neuen Konzertreise als Neu-Aufnahme.
04. Krieg in Amerika
Mit „Mothers Of The Disappeared“ veröffentlichten U2 den ersten von zwei Songs des Jahres 1987, die sich um argentinische Mütter drehten, deren Kinder von den Schergen der Militärdiktatur entführt wurden. Sting schrieb dann das zweite Lied über dieses Leid, „They Dance Alone“, das im selben Jahr auf seinem Album „… Nothing Like The Sun“ erschien. U2 und er sammelten ihre Südamerika-Erfahrungen gemeinsam bei der „Conspiracy Of Hope“-Tour 1986.
„Bullet The Blue Sky“ gilt als das politischste Lied der Iren, seit 1987 wurde es auf jeder Tour gespielt. „Lass Deine Gitarre wie Krieg ertönen“, war Bonos Anweisung an The Edge. Dessen Instrument wurde zum Bombenflugzeug, Edge’ schrille Wah-Wah-Töne zur tödlich klingenden Ladung. Ursprünglich gedacht als Kritik an der Reagan-Regierung, die Krisen in Lateinamerika unterstützte, hält das Stück bis heute glaubhaft für alle Konflikte her, die Bono im Sprechgesang-Abschnitt des Songs abhandelt: Kosovo, Irak, auf der jüngsten Tournee Syrien. Zuletzt thematisierte Bono darin auch selbstkritisch die eigene Vermessenheit – als Popstar zu glauben, man könne die Welt verändern.
05. Gott steht ihnen bei
„Where The Streets Have No Name“ ist der einzige U2-Hit, der bei der „Joshua Tree“-Tour von 1987 fast immer, ab der „Zoo TV“-Tour von 1992 dann bei jedem regulären Tour-Konzert live dargeboten wurde. Kein Wunder: „Der Abend kann richtig schlecht verlaufen für uns“, sagte Bono einst, „aber sobald dieser Song kommt, haben alle das Gefühl, als wäre plötzlich Gott im Saal.“ Legendär ist das dazugehörige Video, eine Reminiszenz an das Rooftop Concert der Beatles. U2 stellen sich in Los Angeles aufs Dach und legen los, Tausende stehen unten, die Polizei dreht irgendwann den Strom ab.
06. Greg Carroll
„I’ll see you again when the stars fall from the sky“: Song Nummer neun, das sanft wie auf Flügeln dahingleitende „One Tree Hill“, ist bis heute der heimliche Fan-Favorit. Das Lied wurde in den Albumcredits dem Freund Greg Carroll gewidmet. Die Band lernte den Maori bei ihrer Neuseeland-Konzertreise 1984 kennen, er wurde ihr Roadie, er starb, mit 26, fern seiner Heimat, in Dublin, ein betrunkener Autofahrer rammte den Motorradfahrer. 2011 führten U2 „One Tree Hill“ nach jahrelanger Pause wieder auf – Bono hielt eine Ansprache zu Carrolls Todestag.
07. Infinite Guitar
„Die beste Melodie, die mir je eingefallen ist“, sagte The Edge. Er meinte nicht das Hymnen-Spiel in „Sunday Bloody Sunday“, oder „One“. Sondern die spärlichen, Ambient-artigen Töne im Fade-Out von „With Or Without You“, dem ersten Nummer-eins-Hit der Band in den USA. „Ich musste der Versuchung widerstehen“, gab der Gitarrist später zu Protokoll, „am Ende nicht doch noch ein Solo zu bringen.“ Durchgehend im Song nutzt Edge auch den bis dahin wenig genutzten „Infinite Guitar“Sound: ein angeschlagener Ton, der sich ewig hält.
08. Wurzeln
Vor der Konzeption des Albums ging Bono hart mit sich ins Gericht, die auch im New Wave begründete Band-Vergangenheit lehnte er plötzlich ab. „U2 fehlt eine musikalische Tradition“, urteilte der Sänger. Er suchte Trost im Blues und bei Dylan; wie neuer Sprit im Tank war die Einspielung von „Silver and Gold“ 1985, später als B-Seite veröffentlicht, an der Keith Richards und Ron Wood beteiligt waren.
09. Graffiti-Sprayer Bono
Eines seiner berühmtesten, schriftlich festgehaltenen Zitate führte zu einer Anzeige wegen „mutwilliger Sachbeschädigung“. Bei einem Gig der „Joshua Tree“-Tour in San Francisco kletterte der Sänger während „Pride“ auf den hinter der Bühne befindlichen „Vaillancourt Fountain“-Brunnen, schrieb auf das Mauerwerk: „Rock N Roll Stops The Traffic“. Der Künstler hinter dem Werk, Armand Vaillancourt, war nicht sauer, sagte vielmehr: „Gut. Ich will Bonos Hand schütteln.“ U2 kamen danach für die Säuberung des Brunnens auf.
10. In der Hölle
Fans rätseln über die Erleuchtung, nach der Bono in„I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ sucht. Dabei benutzte er so viele Phrasen wie sonst nie wieder, um die Massen zu erreichen: „I Have Climbed The Highest Mountains“, „Burned Like A Fire“, „Cold As Stone“. Das Lied statteten U2 mit ihrem zynischsten Videos aus: Bono und Band laufen über den Strip von Las Vegas, der Sänger wird von Fans abgeknutscht, die in der Konsumhölle „gefunden haben was sie suchen“. Ein Sprecher der Vergnügungsmeile sagte, der Dreh sei gut für das Image der Stadt gewesen.
11. Vom Album geflogen
Mit „Sweetest Thing“ versteckten U2 einen ihrer beliebtesten kleinen Songs auf einer Single-B-Seite. „Verdammt, das Stück hätte auf das Album gehört“, urteilten die Musiker später. Eine Neuaufnahme von „Sweetest Thing“ erklomm 1998 die Charts, Platz eins in Irland, drei im Vereinten Königreich.
12. Manson-Revanche
Die Setlist der „Joshua Tree Tour“ 1987 war mit vielen Coverversionen durchsetzt. Das ein Jahr später folgende „Rattle and Hum“-Album enthielt ihre Live-Interpretation des Beatles-Songs „Helter Skelter“, das Bono zu seiner bis heute berühmtesten Ansage inspirierte: „This is a song Charles Manson stole from the Beatles; we’re stealin‘ it back.“
13. U2 vs. Indies
Die Band ist für den Ruin des kleinen amerikanischen SST-Labels mitverantwortlich, auf dem Platten von u.a. Sonic Youth und Hüsker Dü erschienen. Die Band Negativland verwendete 1991 ein Sample aus „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ und warb, was als noch schlimmer gesehen wurde, auf ihrem Cover mit U2. Bono verhinderte die Klage – die Urheberrechte, die Verwechslungsgefahr – nicht und 70.000 Dollar Schadenersatz waren zu viel für SST.