U2: Fackelträger des Rock’N’Roll
U2 beendeten die Dekade laut ihrem Gitarristen The Edge so: „So lebendig, so entschlossen wie zu jedem Zeitpunkt unserer Geschichte.“ Bemerkenswert für eine Band, die schon fast 30 Jahre existiert. Doch The Edge, Bassist Adam Clayton, Drummer Larry Mullen Jr. und Sänger Bono haben schon immer wie kaum eine andere Band Experimentierfreudigkeit und Ekstase verknüpft – mit ungebrochener Leidenschaft und Glauben an den Rock’n’Roll als Verkünder großer Botschaften. Im Zeitalter der Single-Downloads haben U2 drei ihrer besten Alben herausgebracht: Das positive, zu den Wurzeln zurückkehrende „All That You Can’t Leave Behind“ (2000), die gezügelte, selbstreflektierende Dynamik von „How To Dismantle An Atomic Bomb“(2004) und schließlich das hoch emotionale “ No Line On The Horizon“, mit dem U2 2009 ebenso Maßstäbe setzten wie das ganze Jahrzehnt über mit ihren Live-Auftritten – darunter das historische Konzert im New Yorker Madison Square Garden, einen Monat nach dem 11. September. „Als ‚Where The Streets Have No Name‘ einsetzte und die Lichter angingen, weinte der halbe Saal, glaube ich“, erinnert sich Bono. „New York hatte uns zu einem sehr privaten Moment zugelassen. Wir fühlten uns überhaupt nicht wie Besucher oder Touristen. Wir waren Menschen wie sie.“
In diesem Geiste begannen U2 2009 ihre ambitionierteste und extrovertierteste Tour, bei der sie es schafften, die normalerweise unmögliche Gleichung „Masse gleich Intimität“ aufzulösen, jeden ihrer Stadion-Gigs in ein spirituell aufgeladenes Spektakel zu verwandeln und zehntausende Menschen in einem gigantischen Zirkel der Reflexion und des Jubels um sich zu versammeln, strahlend im „moment of surrender“, wie Bono in der Zugabe sang. „Das ist der Trick“, sagte er während der Tour, „das Publikum zum Star der Show zu machen.“
Bonos zweite Karriere als fleißigster und medienwirksamster sozialer Aktivist der Rockmusik, der sich vor allem für AIDS-Bekämpfung in Afrika und Schuldenerlass für die Dritte Welt einsetzt, hat auch die Band verändert. Er fehlt häufiger bei Proben und Studiosessions als noch vor zehn Jahren – und hängt, wenn er da ist, häufig am Telefon. Für The Edge bedeutet das aber auch mehr Zeit zum Herumtüfteln: „Gitarre spielen ist für mich eine zutiefst kreative Interaktion, die nichts mit Technik zu tun hat. Ich übe keine Tonleitern. Wenn ich die Gitarre zur Hand nehme, möchte ich Harmonien finden, die ich noch nicht erforscht habe. Und wenn Bono zurückkommt, bin ich in der Lage, ihn zu inspirieren.“ Der wiederum sagt, er bringe „eine Idee zurück, die uns immer wichtig war, nämlich dass die Welt veränderbarer ist, als wir glauben“.
The Edge geht die neue Dekade mit demselben Anspruch an, mit dem die Band das dritte Jahrzehnt begann: „Es bedeutet uns viel, immer noch Musik zu machen. Rock’n’Roll ist vorwärts gerichtete Energie, ein Schrei aus dem Herzen.“