König in der zweiten Reihe: „Twin Peaks“-Star Harry Dean Stanton ist tot

Harry Dean Stanton, der in David Lynchs dritter „Twin Peaks“-Staffel noch mal zu großer Form auflief, ist im Alter von 91 Jahren verstorben.

In seiner letzten großen Rolle hatte Harry Dean Stanton uns noch einmal viel über das Leben und den Tod gelehrt, über das Glück langen Lebens und die Brutalität, mit der einem das Leben genommen werden kann: Als Carl Rodd in David Lynchs dritter „Twin Peaks“-Staffel wird er Zeuge, wie ein Junge totgefahren wird.

Eben noch schwang Carl sich selbst in sein Auto, lachte sich ins Fäustchen, weil er den Sensemann warten lässt („Ich rauche seit 75 Jahren, jeden einzelnen Tag“), dann betrachtete er, im Park auf einer Bank, das Licht, wie es in den Baumwipfeln spielt – die Schönheit der Natur, das Wunder, in dem er lebt. Als Carl dann vom Aufprall des Unfalls in seiner Ruhe geweckt wird und zum Tatort läuft, sieht er den toten Jungen und die weinende Mutter, und ihn ereilt eine Offenbarung. Er sieht einen Geist aufsteigen, er versucht die Mutter zu trösten, denn für ihn hat nun alles seinen göttlichen Plan.

Von da an sitzt er die meiste Zeit auf der Veranda, spielt Gitarre und singt.

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Überhaupt „75 Jahre am Rauchen, der Tod muss warten“: In Wim Wenders‘ „Paris Texas“ kam uns Harry Dean Stanton 1984 schon nicht mehr ganz jung vor, man freute sich über jene Art „späten Erfolg eines Charakterdarstellers“. In Lynchs „The Straight Story“ von 1999 sah er wirklich so alt aus, wie er war, 72. Dass Stanton in der TV-Serie „Big Love“ ab 2006 bewies, dass er auch als richtig alter Mann ein perfektes Scheusal spielen kann, war unglaublich. Da konnte man nur noch ahnen, wie alt er damals wohl sein musste.

Travis war der Durchbruch

Nun ist Harry Dean Stanton im Alter von 91 Jahren gestorben, wie „TMZ“ berichtete. Er sei am Samstag friedlich eingeschlafen, im Cedars-Sinai-Hospital in Los Angeles.

Stanton war, bis zu seiner Rolle als Travis in Wenders‘ „Paris, Texas“, der gebuchte Nebendarsteller, und nach diesem mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnetem Film würde er es auch wieder sein. Sein Engagement erhielt er nach einem Bar-Gespräch mit Drehbuchautor Sam Shepard: „Ich erzählte ihm, dass ich meine Figuren satt hatte“, erinnerte sich Stanton 1986. „Ich wollte jemanden spielen, der Schönheit und Sensitivität ausstrahlt.“ In „Paris, Texas“ war es Stantons empfindliche Ruhe, die den Film trug: ein Mann mit der Hoffnung auf späten Frieden mit seiner Familie – den er nie würde haben können. Die Band Travis benannte sich später nach seinem Rollennamen.

Coppolas „Der Pate – Teil 2“ war 1974 sein erster großer Kinofilm, er spielte einen kleinen FBI-Agenten, in Ridley Scotts „Alien“ war er  1979 der tumbe Mechaniker Brett, das erste von vielen späteren Leinwand-Opfern, dessen Schädel von der Peniszunge des Monsters zertrümmert werden würde. In John Carpenters „Die Klapperschlange“ (1981) war er ein neurotischer, aber friedlicher Wissenschaftler namens „Brain“, der in einem Manhattan voller Schwerverbrecher den Überblick behielt. 1986 verkörperte er den Vater von Molly Ringwald in John Hughes‘ definierendem Jungendfilm des Jahrzehnts: „Pretty In Pink“. Da war er der gute Patriarch, aber einer, der sich immer noch an der Nase herumführen ließ.

Es gehört zu den Merkwürdigkeiten Hollywoods, dass Stanton in seinem Leben keine einzige Oscar-Nominierung erhielt, keine für den Golden Globe und keine für den Emmy. Er galt als Mann der zweiten Reihe. Seine bedeutsamste Nominierung bekam er im Jahr 2000 für „The Green Mile“ – für den Screen Actors Guild Award, aber als Ensemble-Mitglied, als einer unter vielen, neben Tom Hanks, Michael Clark Duncan, David Morse, James Cromwell und mehr.

Stanton in „Paris, Texas“

David Lynch verabschiedet sich auf Twitter von Harry Dean Stanton:

„Twin Peaks: The Return“ stand im Zeichen vieler verstorbener Größen, die an den Dreharbeiten nicht mehr teilnehmen konnten (David Bowie), oder die kurz darauf von uns gegangen sind (Miguel Ferrer, Catherine E. Coulson). Ihnen widmete David Lynch im Abspann die jeweiligen Episoden, in denen sie eine wichtige Rolle spielten.

Er war größer als groß, schreibt Lynch, der ihn ab „Wild At Heart“ von 1990 regelmäßig besetzte. „Es gibt keinen wie Harry Dean Stanton.“

 

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