TV-Tipp: Arte bringt selten gezeigte Doku über Elvis Presley
„Elvis: That's The Way It Is“ zeigt Elvis Presley bei seinen Vorbereitungen für das große Comeback in Las Vegas.
Am 31. Juli 1970 kehrte Elvis Presley nach fast zehn Jahren Bühnenabstinenz zurück ins Rampenlicht. Seine Konzerte in Las Vegas retteten die Karriere des „King“.
Die Shows in der Spielerstadt schrieben Musikgeschichte und wurde für viele Fans rund um die Welt zum Sehnsuchtsziel.
Der Konzertfilm „Elvis: That’s The Way It Is“ von Denis Sanders rekapituliert die besondere Reise, auf die sich Elvis Presley mit seinem berühren Comeback begab und zeigt viele kaum bekannte Aufnahmen.
„Elvis: That’s The Way It Is“ – Freitag, 10. September um 21:40 auf Arte.
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Aus Tupelo, Mississippi, aus Memphis, Tennessee, kam dieser Weiberheld mit seinem glänzenden Anzug und den geschminkten Augen, ein junger weißer Trucker-Dandy, der bestimmt Prügel riskierte dafür, dass er so schwarz tat und so schwul. Wir sprechen nicht von New York, nicht mal von New Orleans, dies war Memphis, Memphis in den 50ern. Das war Punkrock. Das war Revolte. Elvis Presley veränderte alles – musikalisch, sexuell, politisch. Elvis war alles auf einmal, es ist alles da, in seiner geschmeidigen Stimme, seinem biegsamen Körper. Und so wie er sich wandelte, wandelte sich auch die Welt: Er war eine 50er-Ikone, zu allem fähig, was die 60er vermochten.
Elvis Presley: Vom Rockstar zum Ringkämpfer
Und plötzlich war’s vorbei. In den 70ern verwandelte er sich vom Rockstar in einen Ringkämpfer, aber interessanterweise wurde er, je tiefer er fiel, für seine Fans nur umso gottgleicher. Bei seinen letzten Auftritten war seine Stimme noch mächtiger als sein Bauch, da weint man echte Tränen angesichts des Musikmessias, der sein Herz ausschüttet und das Kasino zur Kirche macht. Elvis Presley ist der Prototyp des Rock’n’Roll: das Rauschhafte – wie im Gospel. Der Dreck des Deltas, des Blues. Sexuelle Befreiung. Kontroverse. Die Weltsicht der Leute verändern. Bei Elvis ist alles da.
Als ich 1968 das Comeback-Special sah, war ich gerade mal acht, noch nicht urteilsfähig – vielleicht ein Vorteil. Ich konnte die diversen Elvisse noch nicht verschiedenen Kategorien zuordnen oder mich in ihren Widersprüchen zurechtfinden. Es war nur einfach so ziemlich alles da, was ich von Bass, Gitarre, Schlagzeug verlange: ein Performer, den die Distanz zum Publikum nervt; eine Bühnenfigur, die das Weitwinkelobjektiv des Ruhms in ein Prisma verwandelt; eine Sexualität, die nur noch von seinem Dürsten nach Instruktionen Gottes übertroffen wurde.
„Der elastisch spastische Tanz“
Am schwersten zu erklären jedoch: der elastisch spastische Tanz – die Hüften, die von Europa bis Afrika schwingen, was, sag ich mal, Amerika auf den Punkt bringt. Für einen irischen Jungen mochte die Stimme den Sex-Appeal der USA erklären, aber wie er tanzte, das demonstrierte die brodelnde Energie dieser neuen Welt; wie sie überkochen und uns alle verbrühen würde mit neuen Ideen, neuen Auffassungen von Rasse, Religion, Mode, Love und Peace. Diese Ideen waren viel größer als der Mann, der ihnen den Weg ebnen sollte, Ideen, die den Mann später verwirren würden, ratlos machen, ihn, der die steife Oberlippe der Angelsachsen für immer kräuselte. Er war „Elvis the Pelvis“, das Becken, die Hüfte, eine Hand an der Blues-Elektrode, die andere am Gospel, was die Essenz des Rock’n’Roll ist, Elektroschocktherapie für eine Generation, Jungen wie Mädchen, Schwarze wie Weiße.
„Elvis Presley tat längst, was die Bürgerrechtler forderten: Er riss Mauern nieder.“
Ich traf mich kürzlich mit Coretta Scott King, John Lewis und einigen anderen Führern der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, und sie erinnerten mich an die kulturelle Apartheid, der sich der Rock’n’Roll damals gegenübersah. Ich glaube, der Berg, den sie zu besteigen hatten, wäre noch viel steiler gewesen ohne die Pfade, die die schwarze Musik durch die weiße Popkultur gebahnt hatte. Die Beatles, die Rolling Stones oder Creedence Clearwater Revival hatten den Blues allesamt durch Elvis entdeckt. Er tat längst, was die Bürgerrechtler forderten: Er riss Mauern nieder. Heute betrachtet man ihn nicht als politischen Künstler, aber das ist Politik: die Art und Weise verändern, wie Menschen die Welt sehen.
Als der King noch nicht wusste, dass er der King ist
In den 80ern gingen U2 nach Memphis ins Sun Studio, Schauplatz des Rock’n’Roll-Urknalls. Wir arbeiteten mit Elvis’ Toningenieur Cowboy Jack Clement. Er machte das Studio noch mal auf, damit wir in denselben vier Wänden ein paar Tracks aufnehmen konnten, in denen Elvis Presley „Mystery Train“ eingesungen hatte. Jack fand das alte Röhrenmikrofon, in das der King geheult hatte, und das Hallgerät war auch dasselbe. Der Raum war der reinste Tunnel, aber der Sound darin hatte so eine gewisse Klarheit. Man hört ihn auf den Sun-Platten, und das sind mir die wichtigsten. Der King wusste da noch nicht, dass er der King ist. Es ist gespenstische, getriebene Musik. Elvis weiß nicht, wohin der Zug mit ihm fährt, und deshalb wollen wir Passagiere sein.
„Elvis verschlang Amerika, bevor es ihn verschlang“
Manche Kommentatoren sagen, es war die Armee. Andere glauben, Hollywood oder Las Vegas hätten ihn gebrochen. Ich denke, es waren viel eher seine Ehe oder seine Mutter. Vielleicht war es einfach der fette Arsch des Ruhms, der auf ihm saß. Ich halte die Vegas-Periode trotzdem für unterschätzt. Zu der Zeit hatte Elvis ganz klar die Kontrolle über sein Leben verloren, und da ist dieses unglaubliche Pathos. Die große Opernstimme der späteren Jahre. Warum nur wollen wir unsere Idole immer an ihrem selbst gezimmerten Kreuz sterben sehen? Andererseits: Elvis verschlang Amerika, bevor es ihn verschlang.