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Arne Willander schaut fernKolumne

TV-Kritik: „Gätjens großes Kino“ – Wenn alles schmerzhaft ist

Zur Schlafmützenzeit im ZDF: Die profunde Filmkritik in „Gätjens großes Kino“

Man dachte, Steven Gätjen hätte bei der Oscarverleihung den Platz an der Absperrung zum roten Teppich, weil er Halbamerikaner ist und fließend englisch spricht. Der Hollywoodreporter Scott Orlin, der vielleicht ganzer Amerikaner ist, führt ihm die launigen Flaneure zu, die für einen Preis nominiert sind, einen Preis präsentieren oder einfach da sind, und Gätjen macht ihnen einen Kompliment für ihren letzten Film, ihre Frisur, ihre Kleidung oder einfach dafür, dass sie da sind. Er sagt, dass er vom deutschen Fernsehen ist, und manchmal sagt jemand etwas auf Deutsch oder erinnert sich daran, dass er deutsche Verwandte oder in Berlin einen Film gedreht hat.

Steven Gätjen ist da aber nicht nur, weil er Halbamerikaner ist. Sondern weil er gern Filme guckt. Thomas Gottschalk guckt auch gern Filme und sagte in der „Kulmbacher Filmnacht“ Texte auf, die niemand je sagen würde. Steven Gätjen spricht in „Gätjens großes Kino“ Texte, die er nicht schreiben würde und auch nicht schreibt, und sie klingen bizarr, weil Gätjen sie so überbetont, so begeistert laut und vollbärtig spricht. Früher hieß die Filmkritik im ZDF knallig „Neu im Kino“ und kam so spät und war so kurz, dass niemand zuschauen musste. Ein Filmkritiker sprach zwischen Ausschnitten aus einem meistens künstlerisch wertvollen Film bedächtige Sentenzen, bei denen man das Rascheln des Papiers lärmen hörte.

Gätjen zeigt die üblichen Ausschnitte aus Filmen und schließt in einem drolligen Manierismus die Synopsis an den soeben gehörten Dialog an. „Mauser verliebt sich trotzdem in Jackie – dabei lebt sie doch in einer Villa und er nur in einer perspektivlosen Hochhaussiedlung“, nämlich in „Es war einmal Indianerland“. Dann folgt die dröhnende Expertise, ein entschiedenes Sowohl-als-auch: „Das könnte nun leicht als reiner Abklatsch abgetan werden – die gefühlt 9000. Kombination aus Teenie-Romanze und Dramamödie mit irren Bildern, stilisierten Dialogen und Referenzen aller Art“, nämlich an „Trainspotting“ und „Pulp Fiction“, wie bei all den gefühlt 9000 Filmen. Und das ist es natürlich auch. Aber irgendwelche Kräfte „erzeugen etwas Eigenes, das sich nicht an die Regeln hält, das stark überhöht und eben nicht typisch deutsch ist“, was in der Summe bedeutet: „Kurzum, eine bunte Coming-of-Age-Geschichte , die den Kontrollverlust nicht nur feiert, sondern auch lebt.“

Zu „American Assassin“ wurde für Gätjen aufgeschrieben: „ ,American Assassin‘ und sein Regisseur Michael Cuesta veranstalten so einiges, damit man das Ganze ernst nimmt. Tatsächlich wirkt vieles davon richtig schmerzhaft. Nur leider sorgt vieles dafür, dass man das Ganze nicht richtig ernst nehmen kann.“ Das präzise Urteil: „Ein Thriller, der es etwas leichter hätte angehen sollen, der seine konventionelle Story mit viel inszenierter Action und primitiver Härte kurzweilig hält, der leider etwas zu lang und zu skrupellos ist, in dem zumindest Michael Keaton eine Menge Spaß hat und sich Dylan O’Brian ordentlich schlägt. Unterhaltsam, aber deutlich ausbaufähig.“ Ein Film wie ein lebendiges Wesen, in dem Michael Keaton eine Menge Spaß hat! Beim zweiten Teil könnte das Lange und Skrupellose mit seiner konventionellen Story ausgebaut werden.

Aber „The Square“! „Ruben Östlund verdrehte den Kritikern in Cannes so den Kopf, dass sein Leinwand-Experiment mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde.“ Der Schelm! Gätjen hat aber einen Einwand: „Bei spürbaren 142 Minuten“ wirkt der Film „etwas zerfasert – fast wie die Zivilisationsdecke, die er uns entreißen will.“

Vieles davon war richtig schmerzhaft, und nach spürbaren 25 Minuten ziehen wir uns fast die Zivilisationsdecke über den Kopf.

Andreas Rentz Getty Images
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