Die Wilden und das Meer: So ist es auf der Full Metal Cruise
Unser Autor schipperte als Bordschreiber auf der Full Metal Cruise mit dem Kreuzfahrtschiff und harter Musik auf den Ohren übers Mittelmeer. Lohnt sich die Überfahrt? Hier ist sein knallhartes Urteil!
Biff ist auf der Bühne zwar mittlerweile ein bisschen hüftsteif, aber die Band spielt zwei fulminant gedroschene, haltlose, fast ein bisschen zu undisziplinierte Gigs. Dem Schiffstätowierer Ventor, in Personalunion Drummer bei Kreator, dürfte das gefallen haben. „Saxon sind meine Jugend, da muss ich hin, egal wie oft ich die schon gesehen habe“, erzählt er mir am Nachmittag. Ventor hat gut zu tun, er hat bereits neun Cruise-Embleme gestochen. Nur bei der Beinahehavarie kurz vor Gibraltar musste er seine Arbeit kurz unterbrechen. Nach Feierabend darf er dann Fan sein. „Uli Jon Roth hat mich gestern Abend weggeblasen!“, schwärmt er.
Drahtiges Jungvolk in Feierlaune
Tatsächlich ist der virtuose Gitarrenveteran, der in seinem „Tokyo Tapes Revisited“-Programm den Scorpions der Siebziger noch einmal neues Leben einhaucht, so etwas wie der Gewinner der Herzen. Als ich mich mit ihm auf Deck zum Gespräch treffe, kommt ein angerührtes Fangirl, ergreift seine magische Rechte, die mit den sehr langen spitzen Nägeln, und bedankt sich überschwänglich. Er sei von dem Erfolg der Tour und des Albums zunächst selbst überrascht gewesen, erzählt er. Andererseits, außer ihm mache es ja keiner. „Man will die frühen Sachen wieder hören, aber die Scorpions spielen nun mal ihre Hits.“ Über seine alte Band verliert er kein böses Wort, ja, er würdigt ihr Schaffen und ihre Integrität auf so loyale Weise, dass einem ganz warm ums Herz wird. „Wir sind jetzt seit über 40 Jahren befreundet, das ist doch auch was.“
Schließlich ist es Dienstag. Abreisetag. Gleich nach dem Frühstück beginnen die kosmetischen Arbeiten für die World Club Cruise. Drahtiges Jungvolk in brutalstmöglicher Feierlaune flutet die Decks und verdrängt schließlich die etwas zermürbten Altvorderen. Im Shuttle-Bus zum Flughafen werfen wir noch einen letzten Blick auf unseren Metaldampfer der guten Laune, und eine vom Alter und den Exaltationen der letzten Tage gezeichnete Stimme durchbricht die kleine Andacht: „Du armes Schiff, jetzt musst du leiden!“