Wie gefährlich sind True-Crime-Formate?
Ein Medienanwalt kritisiert, wie wenig sich selbst die bekanntesten True-Crime-Sendungen um den Schutz von Opfern bemühen.

„Zeit Verbrechen“, „Mordlust“, „Die Spur der Täter“, „Stern Crime“ – es gibt unzählige True-Crime-Formate in Deutschland. Hierzulande frönt man besonders gerne der Angstlust und sieht, hört und liest mit großem Interesse von den schaurigsten Verbrechen in der Nachbarschaft.
Harmlos sind diese Hautnahkrimis, die von der nackten Realität menschlicher Gewalt berichten, allerdings nicht. Es geht um echte Täter und echte Opfer. Und hier fängt das Problem für den profilierten Medienanwalt Christian Schertz an.
Aus seiner Sicht werden hier Opferrechte in der überwiegenden Zahl aller Fälle missachtet. Vielmehr werde das persönliche Schicksal von Menschen sogar genutzt, um Einschaltquote, Auflage und Klickzahlen zu generieren, so Schertz in einem Gespräch mit der Opferschutz-Organisation „Weisser Ring“ (Via „Kress“).
Der Unterschied zwischen Opfer- und Persönlichkeitsrechten
Selbst wenn es nicht zu Verletzungen des Opferrechts komme, missachteten viele True-Crime-Formate die Persönlichkeitsrechte von Verstorbenen. Sie könnten dies, weil diese mit dem Tod erlöschen. Es werde, so Schertz, der postmortale Achtungs- und Würdeanspruch verletzt, wenn im Rahmen einer Unterhaltungsshow Tatortfotos oder sogar Leichenfotos von Opfern von Straftaten gezeigt würden.

Es ist so eine Sache mit dem Recht am Bild von Verstorbenen: Zwar gilt es noch zehn Jahre nach dem Tod, aber in der Realität müssten Hinterbliebene hier oft kämpfen, damit es eingehalten wird. Christian Schertz glaubt, dass es zudem gar kein begründetes, den Opferschutz überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Morden und Tötungsdelikten geben könne, „die wieder ins Licht der Öffentlichkeit gezogen werden, obwohl sie abgeurteilt und abgeschlossen sind“.
Die Produzenten solcher True-Crime-Formate missachteten zudem, dass vor allem bei Opfer-Angehörigen oder Augenzeugen von Taten in erheblichem Maße Retraumatisierungen eintreten könnten, wenn die Taten wieder ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt würden.
Manche True-Crime-Formate überschreiten Grenzen
In diesem Zusammenhang hält Schertz es für unsäglich, wenn dann etwa noch Umfragen gemacht würden, ob man etwa einen Täter für schuldig oder unschuldig halte (der Medienanwalt spricht hier vom „Bayern 3 True Crime“-Podcast). „Es ist höchst unseriös, im Rahmen einer Show gewissermaßen im Nachgang ein Jury-System zu Unterhaltungszwecken einzuführen.“
Als Folge der True-Crime-Schwemme fordert Schertz vom Gesetzgeber die Einführung eines postmortalen Persönlichkeitsrechts: „Es ist eine geradezu perverse und schier unerträgliche Situation, dass die Mörder aufgrund ihrer Persönlichkeitsrechte und nach Haftverbüßung aufgrund des dann bestehenden Rechts auf Resozialisierung oftmals nicht mehr identifizierend dargestellt werden dürfen mit Namen und Bild – die Persönlichkeitsrechte der Opfer aber erlöschen, weil sie verstorben sind, weil sie ermordet wurden.“