trouble in paradise
Als er seinen Aussteiger-Roman "Der Strand" schrieb, konnte Alex Garland nicht ahnen, wie schnell sein Horror-Szenario Wirklichkeit werden sollte: Hollywood fand Gefallen an dem Stoff, verpf ichtete Leonardo DiCaprio und rückte mit dem Bagger an...
Knallrotes Licht illuminiert das Gesicht des jungen Mannes, der’versunken am Tresen sitzt und an seinem Bier nippt. Um ihn herum leuchten Lampions und Leuchtreklamen; die größte und grellste verkündet: JBottoms up*V£usammen mit diversen anderen bildet die Bar die „Entertainment Plaza“ von Kata, einem Badeort an der Westküste der thailändischen Ferieiünsel Phuket.
Trotz strömenden Regens warten die Schönen der Nacht hiet* auf blasse und sonnenverbrannte Gäste. Doch der einsame junge Mann ist kein Sex-Tourist, sondern Traveller – Reisender in Sachen Utopie. Er ist lange unterwegs gewesen, um das Paradies zu finden. An diesem Abend jedoch ist er in die bunte, schrille Welt zurückgekehrt, die er hinter sich ließ – und ist angewidert.
Seine Stimmung bessert sich auch nicht, als ihn ein anderer Traveller begrüßt: „Hey, Kumpel! Das hier sind meine neuen Freunde. Sie haben von dieser sagenhaften Insel gehört, wo es einen Traumstrand geben soll, von dem niemand weiß. Nur ein paar echte Traveller leben dort. Wir wissen jetzt, wo sie ist und wollen bin. Kommst Du mit?“ Bei diesen Worten wird der junge Mann wach. Er geht seinem Gegenüber an den Kragen des Regencapes und brüllt: „Du wirst nirgendwo hinfahren, Du Idiot, sonst schlag ich Dir eine rein!“
Die irritierten Traveller treten den Rückzug an. „Zuviel gekifft oder was?“, fragt der im Regencape indigniert. Der junge Mann stiert in seine Bierflasche, haut plötzlich mit der Faust auf den Tresen und heult auf wie ein einsamer Wolf.
„Cut!“ ruft ein besonders blasser Mann. Die Szene ist im Kasten, aber es wird noch Stunden dauern, bis sie zu seiner Zufriedenheit ausfallt Dabei ist es bereits ein Uhr in der Nacht und dies der dritte Nachtdreh in Folge. Der blasse Mann heißt Danny Boyle und ist Regisseur des Films, der hier seit fast einem halben Jahr gedreht wird. Der Film heißt „Der Strand“ nach der Romanvorlage von Alex Garland, und der junge Mann an der Bar heißt Leonardo DiCaprio. Der schöne Leo sieht auch heute wieder arg zerzaust aus, die ohnehin schmalen Augen scheinen sich gar nicht mehr öffnen zu wollen, die Bewegungen sind langsam, der Rücken gebeugt, die Miene mürrisch. Jedes Mal, wenn er von Bodyguards und Make-up-Frauen zu einem der Sets aufPhuket geleitet wird, wirkt er, als ob er gerade dem Bett entstiegen sei ohne Morgenkaffee. Tatsächlich ziehen sich die Dreharbeiten hin. Schon vor vier Wochen sollte hier Schluss sein. Aber dann kam das Drama von Maya Bay…
Mit der Vorgabe, den Film an Originalschauplätzen zu drehen, verschlägt es die location scouts von 20th Century Fox alsbald nach Thailand. Bangkok, Phuket, Krabi – alles roger. Aber dann, in ihrem Wahn, an einem absolut naturbelassenen Strand zu drehen, gehen Hollywoods Botschafter in Phi Phi Le an Land, einer Insel vor Phuket. Und finden dort Maya Beach, den Traum eines Strandes, „The Beach“.
Hier nun soll die Cinemascope-Version von Alex Garlands Aussteiger-Drama Wirklichkeit werden, durch diesen Sand werden sie laufen, in dieser Lagune fischen, in diesen Hütten schlafen. Hütten? Fehlanzeige! Die Insel ist unbewohnt wie Hunderte anderer in der thailändischen Inselwelt Logo: Phi Phi Le liegt mitten in einem Nationalpark – Campieren verboten, von Wohnen ganz zu schweigen. Also stechen die Scouts erneut in See und suchen eine geeignetere Insel. Sollte man meinen. Es gibt ja ein paar hundert davon. Aber nichts da. Phi Phi Le ist besser. Hier und nur hier wird die 100-Millionen-#-Verfilmung des Kultbuchs stattfinden, das ist beschlossene Sache. Nationalpark hin oder her. Thelma und Louise durften ja auch in den Grand Canyon donnern.
Aber irgendetwas stimmt hier trotzdem nicht „What’s wrong with that picture?“, fragen sich die Abgesandten aus Tinseltown. Aber ja: Wo sind denn hier die Palmen? Wir sind doch im tropischen Paradies, und wenn’s schon keine Cabanas und Strandbars gibt, sollten doch zumindest Palmen hier rumstehen, schon von Natur aus! Nun sind Palmen eigenartige Gewächse. Es gibt eine Menge Arten von ihnen, und sie sind in den Tropen weit verbreitet Aber dummerweise meint der gemeine Westler so hohe schlanke Stämme mit grünen Fächern und braunen Nüssen obendran, wenn er von Palmen spricht Kokospalmen eben. Aber am Maya Beach wachsen keine Palmen. Pech gehabt Hollywood wäre nicht Hollywood, wenn es für diesen Faux-pas von Mutter Natur nicht eine Rosskur bereithielte. Schließlich hat man schon das Rote Meer geteilt, New York in Schutt und Asche gelegt und diverse Galaxien zerstrahlt, da wird man doch aus diesem etwas langweiligen kleinen Inselchen die perfekte Traumkulisse für einen Blockbuster zaubern können -Palmen inklusive, richtiger Palmen.
Und los ging die Schaufelei. Eimerchen, Schippchen und Förmchen an den Strand mit so süßen Namen wie JCB, Caterpillar und Komatsu, und schwuppdiwupp, war der alte, irgendwie öde Traumstrand weg – und der neue, perfekte Hollywood-Strand da. Einfach so. Mal schnell hingebaggert Die Proteste der Naturschützer hatten zunächst Erfolg. Die Dreharbeiten wurden verschoben. Der Landwirtschaftsminister wurde bemüht der Ministerpräsident gar. Fox versicherte hoch und heilig beim Leben Luke Skywalkers! -, dass man rein kosmetische Eingriffe in die Natur tätige – und dass nach Beendigung der Dreharbeiten wieder alles in den Zustand antequem versetzt werden würde – hoch und heilig versprochen!
Im Januar war es soweit: Die Stars flogen ein. Die Stars? Der Star. Der heißeste junge Mann auf dem Planeten, wenn es nach Hollywoods Trendbarometer, seiner Gage und rund einer Milliarde weiblicher Poster-Anbeter geht Klassisch sein Name, universal sein Appeal. Leonardo der Jüngere, der Ewan McGregor im Rennen um die Rolle des Richard ausgestochen und dafür noch 20 Millionen Dollar kassiert hatte, beehrte Thailand mit seiner Gegenwart.
Der Star abo flog ein, Fans und Medien überschlugen sich. Boulevardblätter und Illustrierte vor allem aus England, Frankreich und Italien entsandten Paparazzi nach Phuket, um möglichst nahe Aufnahmen vom möglichst knapp bekleideten Leonardo mit seiner Filmpartnerin, der Französin Virginie Ledoyen, zu schießen. Mit Erfolg. Als dann noch das Sannehäubchen mit dem Umweltskandal hinzu kam, hatten die Medien reichlich Futter.
Fox musste reagieren. Der plötzlich mit diplomatischen Komplikationen konfrontierte Jung-Star wandte sich mit einer Erklärung ans thailändische Volk und erklärte, wie sehr er Land und Leute schätze und respektiere. Was die Anschuldigungen der Umweltschützer betreffe, versicherte er, dass durch die Dreharbeiten kein bleibender Schaden verursacht werde.
In dieser wundervoll absurden Aktion wurde eine der Kernaussagen des Buchautors Alex Garland auf wundersame Weise mit Leben gefüllt: Rucksacktouristen suchen das exotische Paradies – und zerstören es, sobald sie es entdecken. ROLLING STONE befragte Garland (29), der selbst jahrelang in Südostasien als Traveller unterwegs war, zu der frappierenden Parallelität von Fiktion und Wirklichkeit.
Was war Deine erste Reaktion, als Du hörtest, dass die Dreharbeiten Naturschutzgebiete gefährden würden?
„Ich war einerseits wirklich betroffen, fand es andererseits unglaublich ironisch. Dass das Thema des Buches in einer derart perversen Weise umgesetzt wurde, hat mich natürlich schon geärgert Zumal ich Briefe und Faxe bekam von wütenden Travellern, die mir vorwarfen, Teil dieser Umweltzerstörung zu sein. Ich flog dann nach Thailand und schaute mich auf der Insel um. Natürlich kann man nicht ein großes Filmteam auf eine kleine Insel verfrachten, ohne die Natur zu stören. Aber im Grunde war die Aufregung lächerlich. Mir wurde klar, dass die Schlagzeilen gar nicht dem Umweltschutz galten, sondern Leonardo DiCaprio. Die Medien sind so verzweifelt hinter ihm her, dass sie jeden denkbaren Aufhänger nutzen.“
Tatsächlich ist Phi Phi Le mittlerweile wiederhergestellt. Der Bootsanleger und die Laufstege sind demontiert, die Kokospaimen ausgegraben, der Strand sauber und in seiner ursprünglichen Form. Die angestammten Pflanzen, die während der Dreharbeiten auf der Rückseite der Insel von einem eigens eingeflogenen englischen Gärtner versorgt wurden, sind wieder an Ort und Stelle und durch Absperrungen geschützt.
Doch wer wieviel Müll produziert oder wegräumt, ist schon lange nicht mehr der Punkt. Fox kam, sah und siegte, die Jungfrau Phi Phi Le wurde genommen, gefilmt und gebraucht zurückgelassen. Nach den kurzen, wilden Zuckungen der Eroberer, die hastig das Bett aus feinem weißem Sand wieder glattzustreichen versuchen, droht eine größere, ungleich gewaltigere Gefahr: die „Beach“-Touristen. Wo das Wrack der „Titanic“ noch relativ geschützt vor marodierenden Souvenir-Jägern ist, liegt Maya Beach offen da wie eine natürliche Landungszone. Dort, wo Leonardo mit nackten Füßen auf heißem Sand wandelte und den in den Schoß von Mutter Natur zurückgekehrten coolen Jungen spielte, dürften sich bald seine Jünger auf die Zehen trampeln.
Nur durch ein paar Kilometer Wasserweg vom Touri-Mekka Phuket entfernt, könnte die Trauminsel dasselbe Schicksal erleiden wie Ko Khao Tapu, besser bekannt als James Bond-Island“. Dieser originell geformte Monolith mitten im Meer ist Pflichtprogramm eines jeden Phuket-Touristen und sieht dementsprechend heruntergekommen aus.
Auf der Nachbar-Insel Phi Phi Don, die bereits stark frequentiert wird, ist die Reklame einer schwedischen Tauchschule zu sehen: „Findet heraus, warum Hollywood die Maya-Bucht für ,Der Strand‘ auswählte. Wir bringen Euch zum Schnorcheln hin!“Besteht nicht die Gefahr, dass Maya Bay bald genauso überlaufen und rerdreckt ist wie der sogenannte James Bond-Felsen „?
„Unmöglich abzustreiten, dass genau das passiert. Natürlich hängt das vom Erfolg des Films ab. Die Entwicklung des Iburismus-Geschäfts in Südostasien ist ohnehin problematisch, und ich tendiere dazu zu sagen, dass es sich fast nicht lohnt, sich über diese eine kleine Insel, diesen einen Film aufzuregen. Man muss viel eher fragen, ob Touristen sich nicht um die Plätze zu scheren scheinen, die sie aufsuchen. Genau darum geht’s in meinem Buch.“
Warum nehmen die westlichen Touristen so wenig Rücksicht?
„Es sind nicht nur die Westler; gerade in Südostasien gibt es sehr viele asiatische Touristen. Es ist ein Mythos, dass die schlechten Dinge immer aus dem Westen importiert werden. Die Japaner oder Koreaner benehmen sich auch nicht besser.“
Mit seinem authentischen Erlebnisbericht von einer kleinen Gruppe von Travellern, die das Paradies suchen, finden und dort ihre Unschuld verlieren, legte Garland die Finger auf ein anderes Phänomen – den sanften Tourismus: Zu Zigtausenden zieht es junge Leute aus dem Westen – mit leichtem Gepäck und wenig Geld – nach Südostasien, immer auf der Suche nach dem Unberührten, Unentdeckten. Mit möglichst wenig Geld möglichst lange dort umherfahren, wo das Klima angenehm, das Essen billig und
die Abenteuer noch nicht organisiert sind. Das ist der Traum der Travellers von heute, die wie die Hippies in den 60ern und 70ern vor allem von Asien angezogen werden. Neben Klima, Kultur und minimalen Lebenshaltungskosten mögen auch die scheinbar entspannte Atmosphäre, das Entgegenkommen der Bevölkerung und das Gefühl, weit weg vom ungeliebten Westen zu sein, Gründe dafür sein, dass man zwischen Goa und China ganze Karawanen von Rucksackreisenden trifft, die alle denselben Traum haben.
Ausgestattet mit den beruhigenden „Travellers Checks“, ständig in Verbindung mit der „zivilisierten“ Welt via Internet und alle mit denselben Reiseführern („Lonely Planet“, „Let’s Go“, „Rough Guide“) unterm Arm, treffen sie sich in Traveller-Cafes, Traveller-Bars und an den Bankschaltern der großen Städte. Immer die gleichen Gesichter, immer die gleichen Geschichten: Wo kann man am Billigsten schlafen? Wo kann man essen? Wo gibt’s unverfälschte Natur?
Der ärgste Feind des wahren Travellers ist nicht schlechtes Wetter, unzuverlässige Busfahrpläne oder Kakerlaken im Einfachst-Quartier, nicht das „Geschlossen“-Schild an Sehenswürdigkeiten oder die latente Bedrohung durch Taschendiebe und Straßenräuber. Gegen all das ist der Traveller mehr oder minder gefeit: Durch vorbereitende Lektüre zu Hause, Erfahrungen vor Ort oder den überlieferten Verhaltenskodex des Travellers tritt das westliche Bleichgesicht jeder noch so fremden Kultur und jeder Unbill mit geradezu asiatischer Gelassenheit entgegen. Nie das Gesicht verlieren, Contenance bewahren, cool bleiben.
Der ärgste Feind des Travellers ist der Tourist. Zwischen diesen beiden Ausformungen des Reisenden liegen Welten. Der Tourist trampelt auf ausgetretenen Pfaden, lärmt in seiner eigenen Sprache und will nur Sonne, Spaß und Erholung. Egal ob Pauschaloder Luxus-Variante – der Tourist versteht das Land, das er heimsucht, nicht, er wünscht keinen Kontakt zur Bevölkerung – außer, wenn es um Essen, Trinken, Kaufen oder Sex geht. Der Tourist sieht nie das ganze Land, sondern nur die Touristen-Reservate, wo er dann wieder auf seinesgleichen stößt, Erfahrungen über andere Reservate austauscht, Flug-, Hotel- und Essenspreise von Türkei, DomRep und Thailand vergleicht. Und doch folgt der Traveller ähnlichen Verhaltensmustern und richtet ähnlichen Schaden an. Was ist es, das die Traveller vorantreibt? Es muss mehr sein, als sich von den ungeliebten Landsleuten abzusetzen, von vornherein andere Wege zu gehen. Gilt es, moderne Rekorde aufzustellen? 17 Länder in drei Monaten? Drei Monate mit nur 1000 Dollar? Nein, das wäre zu profan. Das Ziel des Travellers ist das Reisen um des Reisen willen, aber am Ende jeder Etappe soll die eigene Vita mit einem besonderen, außergewöhnlichen Erlebnis gekrönt werden. Dafür nimmt man endlose Rüttelfahrten in untauglichen Gefährten durch bürgerkriegsverseuchtes Gebiet in Kauf, dafür verliert man schon mal sein Gepäck, die Hiker-Süefel oder einen Zeh. Das Gefühl, etwas als „erster Weißer“
zu sehen, ist so faszinierend und anspornend, dass Leib, Leben und die Rückkehr in die sichere Heimat leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.
Vor diesem Hintergrund lässt sich „Der Strand“ von Alex Garland verstehen, der seit seiner Schulzeit durch Südostasien reist – bevorzugtes Revier: die Inselwelt der Philippinen – und viel Autobiografisches in seinen Debütroman einarbeitete. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Buch extrem polarisiert: Die Leute lieben oder hassen es. Manche empfinden es als eine Verherrlichung des Traveller-Daseins, manche als Kritik daran.“
Und wie hast Du es gemeint?
„Ich wollte beide Aspekte berücksichtigen. Denn zum einen macht Reisen natürlich Spaß, Reisen kann dir ungeheuer viel geben – auf der anderen Seite hat es moralische Implikationen: Wenn man einen Traveller fragt, ob er das Land, das er bereist, wirklich respektiert, wird er das natürlich bejahen. Traveller sind allgemein politisch sehr korrekt, ökologisch sehr bewusst Aber – vielleicht, ohne sich dessen bewusst zu sein – marschieren sie durch diese Länder, als ob sie einen Baseballschläger in der Hand halten und alles kurz und klein schlagen.“
In „Der Strand“ geht es auch um Grenzen und darum, diese zu erreichen. Die Romanfiguren sind ständig auf der Suche nach dem perfekten Paradies, dem Garten Eden. Warum gehen wir sozusagen über Leichen, nur um auch den letzten weißten Fleck auf der Landkarte zu besetzen?
„Es ist wohl ein unwiderstehlicher Drang, ein angeborener Instinkt. Menschen sind nie mit dem zufrieden, was sie gerade haben, zumal hier im Westen.“
Welches Land wird Vietnam als „Geheimtipp“ablösen? Wie groß ist der Reiz der Gefahr beim Reisen? Es gibt Webpages, die die gefährlichsten Reiseziele der Welt auflisten und Tipps geben, wie man sie bereisen sollte.
Ja, es gibt diesen Teil der Traveller-Szene, der sich diesem Adrenalin-Tourismus verschrieben hat „Der Strand“ handelt auch zum Teil davon, weil Richard (die von DiCaprio gespielte Hauptfigur) nach diesen Bildern lechzt, die er in diesen doofen Oliver-Stone-Filmen gesehen hat und sie für sich zum Leben erwecken wilL Es gibt eine perverse Hierarchie unter diesen Travellern, die darin gipfelt, möglichst viele Visa für die gefährlichsten Länder im Pass zu haben. Es gibt ’ne Menge Verrückter, die ganz stolz daraufsind, Ruanda bereist zu haben, nur weil dort so viele Leute im Bürgerkrieg umgebracht wurden. Das ist so krank, wie es sich anhört.“
In beiden Deiner Bücher spielt Gewalt eine große Rolle – ofi sehr grafisch und realistisch. Trotzdem scheinen sie die Protagonisten schulterzuckend zu akzeptieren.
„Natürlich hasse ich Gewalt; wenn ich mit ihr konfrontiert werde, macht sie mich krank. Ich habe mich besonders in ,Manila‘ bemüht, die Darstellung von Gewalt nicht zu glamourös oder pornografisch werden zu lassen. Vielmehr habe ich mich bemüht, diesen eiskalten Schrecken echter Gewalt abzubilden. Echte Gewalt ist das am wenigsten Unterhaltende, das man sich vorstellen kann.“
In der Szene wird die Rolle von Reiseführern wie „Lonely Planet“ heiß diskutiert. Manche rufen gar zum Boykott auf, weil diese Art von Führern am ehesten sogenannte Geheimtipps preisgeben.
„Ich weiß nicht, ob man ,Lonely Planet‘ die Schuld zuweisen sollte. Es ist eher die Art, wie die Bücher genutzt werden. Ich hasse die Attitüde: ,Wir können überall hinfahren und uns alles erlauben.‘ Mich nervt aber auch die Attitüde:, Wir können nirgendwo hinfahren und dürfen uns nichts erlauben.‘ Ich mag s nicht, diese exotischen Länder wie einen Zoo zu behandeln, der für das Wohl einer kleinen Elite angelegt wurde, die die richtigen Adressen kennt. Ich mag’s auch nicht, wenn Traveller über McDonald’s schimpfen. Wenn die Einheimischen ’nen Big Mac haben wollen, sollen sie ihn haben.
Es steht uns nicht zu, diesen Leuten vorzuschreiben, wie sie ihr Leben, wie sie ihr Land zu gestalten haben. Mc-Donald’s mag zwar per se problematisch sein, aber es ist auch oft ein Indiz für eine generelle ökonomische Weiterentwicklung. Und in dieser Art von Volkswirtschaft gibt’s wahrscheinlich auch bessere medizinische Versorgung und preiswertere Antibiotika. Und wenn der Preis für erschwingliche Antibiotika ein McDonald’s ist, dann ist das immer noch ein guter DeaL“