Triumph des Witzes
Mit "Neues vom Wixxer" entfernt sich Oliver Kalkofe noch weiter von dem Metier, das er jahrelang mit Spott überzog: dem Fernsehen. Komiker bleibt er aber auch im Kino
Die Glotze macht dick und doof. Das kann man an Oliver Kalkofe sehen. Leibhaftig ist er viel schmaler als im Fernsehen. 14 Kilo hatte er vor zwei Jahren abgespeckt, auf Rat seiner Ärztin. Er habe sich deprimiert mit Essen vollgestopft, wenn er stundenlang das TV-Material sichtete für „Kalkofes Mattscheibe“. Im Gespräch wirkt der Wüterich, der den Dumpfsinn der Sender mit der Wortwahl eines übergeschnappten Prolls beschimpft, wie ein ruhiggestellter Patient. Auch wenn er oft atemlos, ohne Punkt und mit vielen Kommata redet. Es geht ihm gut. Er hat zuletzt eine mehr fernsehfreie Zeit gehabt, gerade ist sein Film „Neues vom Wixxer“ im Kino angelaufen. „Ich erlebe die schönsten Momente in meiner beruflichen Laufbahn.“
Kalkofe, das „kleine dicke Kind“, wie er selbst immer sagt, ist angekommen auf einer Ebene, die er sich nie erträumt hat. Der Spötter und Scharfrichter der deutschen Unterhaltungsmisere begann beim Radio ffn als Geheimtipp, wurde in der unverschlüsselten Nische des Abokanals Premiere zum Grimme-Preisträger und wechselte mit seiner „Mattscheibe“ zum Privatsender ProSieben, wo er seither im Nachtprogramm herumtobt wie ein talentierter Ersatzspieler des FC Bayern. Kalkofe war stets in einer unangreifbaren Situation: Von außen konnte er zürnen, über die Casting- und Event-Shows lästern, die Hütchenspieler von 9Live piesacken, Patrick Linder einen „schleimigen Grinse-Arsch“ nennen und Volksmusiksendungen als „Terrorzelle“ schmähen. Und wer sich über Kalkofe empörte, weil der sich über ihn empörte, lieferte dem „Schandmaul“ nur eine weitere Steilvorlage.
Doch dann wollte er zeigen, dass man es besser machen kann. Er schrieb das Drehbuch für die Edgar-Wallace-Parodie „Der Wixxer“, spielte neben Bastian Pastewka auch selbst mit – und wusste: „Viele warten nur darauf, dass ich mich mal auf den Arsch packe.“ Den Film sahen 2004 fast zwei Millionen Zuschauer.
Er habe damals viel gelernt, erzählt Kalkofe: „Vor allem was man alles falsch machen kann.“ Der Erfolg des Films kam nicht, weil Kalkofe darin den Humor revolutionierte. Eher wurde doch der typisch deutsche Geschmack für Albernes bedient. Es war ein Versuch. „Das Timing stimmte nicht, die Regie lief nicht so gut“, erklärt Kalkofe heute. Er akzeptiere Kritik, wisse jetzt aber auch: „Man leidet bei so einem Projekt, an dem man drei Jahre arbeitet, das ja wie dein Baby ist.“ Der Kritiker ist nun Teil des Systems, das er stets verhöhnt hat. Entsprechend preist er „Neues vom Wixxer“. Konsequenter seien sie gewesen, „der Witz passt besser zur Situation“, und darin muss man ihm zustimmen. Es gibt manchen feinen Einfall, Christoph Maria Herbst karikiert Hitler als Irrenarzt Alfons Hatler („Krankhafte Allmachtsfantasien sind nicht mein Spezialgebiet“), wie man es sich bei „Mein Führer“ gewünscht hätte, und pfiffig wird der Film von derbe verballhornter Werbung für Klingeltöne unterbrochen. Mit der Genreparodie orientiert Kalkofe sich an Komödien wie „Die nackte Kanone“. Damit setzt er eine Tradition fort, die schon für die Wallace-Krimis galt: „Kopieren ist unsere Kunstform Nummer eins. Besonders England und Amerika haben uns geprägt.“ Kalkofe ist aufgewachsen mit den Filmen und Serien der 70er und 80er Jahre. Es sei damals nicht alles besser gewesen, aber liebevoller gemacht, meint er: „Es gab nur zwei Kanäle mit einer Serie pro Woche, das war jedes Mal ein Highlight.“ Vor allem in seinem niedersächsischen Heimatort Peine, dessen Provinzialität er immer als Pein empfand. „Dort gibt es noch heute Cappuccino mit Sprühsahne. Jeder hatte Zierpflanzen, zu jedem kam der Bofrost-Wagen. Es war alles so gleich, dass man schon extrem erschien, wenn man nur etwas anders war.“ Kalkofe war auffällig, weil er „nichts von dem konnte, was in der Pubertät als cool gilt“. Aber er brachte Leute zum Lachen. „Damit hatte ich es in der Hand, wann über mich gelacht wird. Humor war mein Weg, um Frust abzubauen. Ich hätte mich auch aufhängen, mit der Pumpgun in die Fußgängerzone gehen oder Sparkassenangestellter werden können.“ Mit dieser Wut attackiert Kalkofe auch die Spießigkeit und den Stillstand des Fernsehens. Es ist die Rache eines betrogenen Liebhabers, der zum Hackebeil greift. „Fernsehen sollte nicht dafür da sein, dass man anruft und bezahlt, um verarscht zu werden.“ Auch macht er sich in dem Medium nicht gerade breit, meidet Programmfüller wie die Chart-Shows mit den „professionellen Heiterkeitsdarstellern, die mit Comedians verwechselt werden, weil sie nur laut lachen, vor allem über sich selbst“, und geht lieber auf Tournee wie jetzt im April. Finanziell ist er damit schlecht beraten, „aber ich gebe meine Fresse nur für Herzensangelegenheiten her“.
Komiker wollte er nie werden. Er staunt selbst über seinen Werdegang, vor allem wenn er von Madness erzählt, seiner Lieblingsband, deren Album „The Rise And Fall“ ihm auch das Leben gerettet hat in Peine.
„Die komplexe Mischung aus Musik, skurrilem Humor und Philosophie war völlig neu für mich.“ Für den Abspann vom zweiten „Wixxer“ wollte er mit den Briten unbedingt eine längere Version von „It Must Be Love“ einspielen. „Die waren etwas irritiert, als ein kleiner dicker Mann aus Deutschland auftauchte und vor ihnen fast auf die Knie fiel.“ Bis sie zusagten, verging ein halbes Jahr: „Sie hatten keinen Manager, meine Mails landeten bei ihrem Steuerberater.“ Dann hat er mit ihnen sogar das Video zum neuen Song „NW 5“ gedreht. „Für mich hat sich ein Traum erfüllt.“