Triptych-Festival – Glasgow, Tramway
Eine Bierbrauerei findet die Pop-Hochkultur: Wire, Liars, ein paar andere Bands und John Peel bei der Mute-Labelnacht auf dem Triptych-Festival
Die Zweifel, ob man richtig gewählt hat, sind in dem Moment weg, in dem John Peel vorbeiläuft. John Peel kann am Freitagabend allerhöchstens an einem Ort in Großbritannien gleichzeitig sein, und es gibt einem ein trügerisches, dennoch schönes Gefühl von Kennerschaft, wenn man auch dort ist. Obwohl John Peel gar keine andere Wahl hat. Er muss hier auflegen.
Das Festival heißt unter anderem deshalb „Triptych“, weil der Hauptsponsor die Lagerbier-Brauerei Tennent’s ist und die ihr großes rotes „T“ von den Dosen elegant auf die Plakate bringt. Weitere Bierwitze kann man nicht machen, das ist nämlich ein absolut exquisites Indie-Rock-, Reggae-, Elektronik- und Avantgarde-Festival mit Programmblöcken, die im Lauf einer Woche durch kleine Konzerthallen in Glasgow, Aberdeen und Edinburgh rotieren. Die 88 Gruppen und DJs kennt man alle aus Zeitschriften, von Spezial-Abenden, nicht aus Charts, die Bierkunden gutheißen – bis auf Franz Ferdinand, aber wenn man nur am Freitagabend in Glasgow ist, verpasst man sie und geht zur Label-Night der Firma Mute Records ins Tramway, ein ehemaliges Transportmuseum auf der innenstadtfernen Seite des Rivers Clyde.
Für die sieben Bands und vier DJ-Teams muss es sich toll anfühlen, dass sie mit vereinten Kräften und Verkaufszahlen ihr Label ganz schnell in den Total-Ruin treiben könnten, wenn Mute Depeche Mode und Nick Cave nicht hätte. Bei Pink Grease aus Sheffield lenkt die Farb-Zusammenstellung von der Musik ab, der quarkblonde Sänger in seiner offenen Rennfahrerjacke und einem Gesicht, in dem das lange Kinn stark an die achtziger Jahre erinnert der Gitarrist mit Afro und Skispringerhose, der Typ im Pelzmantel mit einem Mischpult um den Hals. „I wanna fucking die for you, I wanna die fucking you!“ singt der Hübsche im Glamrock-Punk-Chaos, die Backing Vocals klingen wie das Jubeln der Teletubbies.
Im Nebenraum beim Analogmaschinen-Duo Pan Sonic ist es dunkler, leerer und weniger lustig. Die Frequenz-Wellen werden auf Leinwand projiziert, und tatsächlich ist die Bassdrum energischer und der Bass etwas terrorverzerrtet, wenn man sie beim Hören auch sieht Chris 8C Cosey von Throbbing Gristle legen im Haupthof Techno auf, wo hinter dem Merchandising-Stand von Modey Lemon ein Mann mit Turban und Sonnenbrille sitzt und am Liars-Stand ein bezauberndes Mädchen. Doch wohin mit einem vor lauter Bezauberung gekauften Vinyl?
Auch die Liars selbst sind umwerfend. Live, wenn es kein Entkommen gibt vom Voodoo-Getrommel und der Zombie-Bassgitarre, die alle anderen Instrumente gefressen hat, ist das die beste Rock’n’Roll-Band, weil sie alles vermeidet, was Rock oft dämlich und berechenbar macht (also auch Melodien). Der Sänger im weißen Nachthemd lässt den angeklebten Teufelsschwanz schweifen – das Trio Modey Lemon aus Pittsburgh wirkt mit seinem unbändigen Blues-Fuzz-Rock furchtbar hausfrauenhaft dagegen.
Headliner sind um halb ein Uhr Wire, eine der fiesesten, größten, verständigsten Post-Punk-Bands. Wie so viele Leute allerdings daraufkommen, dass das dumpf rockende „Send“ vom letzten Jahr eines ihrer besten Alben sein soll, ist geheim. Wire spielen freilich nur diese Platte, so bedrückend laut klingt sie noch unraffinierter. Als Zugabe „Strange“: „There’s something strange going on tonight“ Strange war das Konzert nicht, bis auf die Überraschung, wie gut die Mute-Bands alle aussehen. Besser als das Publikum. Das ist bei Indie-Konzerten die absolute Ausnahme.