Travis im Interview
Vor einem Jahr noch Geheimtipp - heute die erfolgreichste Band Britanniens der Mann, der in den Himmel fiel...
Lange rätselten die Auguren über das Erfolgsrezept des Quartetts ohne werbewirksames Image und bar branchenüblicher Hybris. Während „The Man Who“ unbeirrt seine Kreise zog. Zweieinhalb Millionen Mal wurde es allein in England verkauft. Auch in Deutschland gelang der Durchbruch – dank „Why Does It Always Rain On Me?“ und gefeierter Auftritte. Im Vorfeld der Aufnahmen für das neue Album zieht Fran Healy Bilanz und spricht über Lust und Last der Existenz als Rockstar. Vorgestern fand „T In The Park“ statt in Schottland. Ein Festival, das Tradition hat für Travis, bei dem sie aber erstmals Headliner waren. Vor Supergrass, Macy Gray, Iggy Pop. Einer dieser hyperemotionalen Homecoming-Events, vor Menschen, die ihre Helden zu Hause willkommen heißen. Menschen, die den Aufstieg von Travis schon immer für unaufhaltbar gehalten haben und, gefragt oder ungefragt, kundtun, dass sie ja seit Jahren schon Fans sind. Bei jedem Homecoming sind es ein paar tausend mehr Mütter und Väter des Erfolgs.
Keine Platte sei „The Man Who“, sondern ein Virus, schrieb neulich einer von denen, die bei der Ursachenforschung nach dem Siegeszug der LP kapitulieren mussten. Auf jeden, der sich das Album zulege, käme einer, der sich eben erst infiziert habe an diesen Songs. Die Woche davor war Glastonbury, dann ging es für Travis eben mal schnell nach New York zum Auftritt in der „David Letterman Show“ und einem weiteren Dutzend Medienterminen. Der gestrige Tag gehörte Familie und Freunden, war schöner und stressiger für Fran Healy als das Karriere-Tamtam. Eine Hochzeit, Hauskauf für Mom Marion, kaum Zeit zum Durchatmen.
Morgen fliegt die Band nach Amerika zur Fortsetzung einer monatelangen Tournee, die schon im Frühjahr begonnen hatte, gemeinsam mit Oasis, und die nun in die dritte Runde geht. 50 Konzerte sind dort nicht viel, gehen in der Weite des Kontinents fast unter. Wer sich in den Staaten einen Namen machen will, muss in diese Tretmühle. Ein Tribut, den Travis bewundernswert klaglos zahlen. Kein böses Wort über lästige Leute, die sich an sie hängen. Kein Lamentieren über einen Terminkalender, der bis Weihnachten nicht eine weiße Seite mehr aufweist. Im Oktober geht es mit dem Produzenten Nigel Godrich ins Studio. In Los Angeles. Mit den Songs dafür geht Fran Healy schon seit Monaten schwanger, „sie müssen endlich raus“.
Heute befindet er sich auf dem Weg von Glasgow nach London, geschafft, aber glücklich. Getrübt wird seine Stimmung nur einmal, bei der Erwähnung von Roskilde.
„Eine Tragödie. Es passierte eine halbe Stunde, nachdem wir das Gelände verlassen hatten. Man hat uns erzählt, ein paar Lautsprecher seien ausgefallen, und die Menge habe sich in Richtung Bühne in Bewegung gesetzt, um besser hören zu können. Wir sind seither doppelt aufmerksam, wenn wir oben merken, dass unten gedrängelt wird. Am Sonntag bei „T In The Park“ hatte ich den Eindruck, es könnte für die Fans vorne an der Bühne ein bisschen zu eng werden. Ich habe an alle appelliert, ein, zwei Schritte zurückzutreten, und sie taten es. In Roskilde waren die Leute zu benommen, von Alkohol hauptsächlich. Die meisten waren eines klaren Gedankens nicht mehr fähig, haben gedrückt, wurden gedrückt. Ist ja leider kein Einzelfall, es passiert immer wieder. Bei einem Auftritt von The Who wurde auch ein Mädchen totgetrampelt. Schrecklich.“
Es hätte anstelle von Pearl Jam auch Travis treffen können. Wie hättet Ihr reagiert?
„Auch nicht anders als Pearl Jam, aber die Gefahr ist bei uns deutlich geringer. Unsere Musik hat nicht diese unterschwellige Aggressivität, wir gehören nicht zu diesen Mosh-Pit-Muckern, die auf motorische Reflexe zielen. Ich glaube, Pearl Jam auch nicht mehr. Ich bin an ihrer Musik nicht besonders interessiert, weiß aber, dass sie dieser Grunge-Bolzerei längst abgeschworen haben. Trotzdem ziehen sie natürlich immer noch einen bestimmten Fan-Typ an, dem es gar nicht körperlich genug zugehen kann. Man könnte vieles besser in den Griff kriegen, wenn die Ordner bei solchen Veranstaltungen entsprechend vorbereitet wären. Selbst wenn es ziemlich dunkel ist, lässt sich am kollektiven Ton einer Menschenmenge erkennen, wenn etwas nicht stimmt. Der Lärm, der von ihr ausgeht, nimmt einen anderen Charakter an, ändert die Frequenz. Wie bei einer Rinderherde. Das Muhen einer Kuh lässt Rückschlüsse zu auf ihre Befindlichkeit. Und bei Menschen, das haben Untersuchungen ergeben, verhält es sich nicht anders. Mir leuchtet das ein. Das ist es ja, was wir sind: Tiere.“
Oasis und die Pet Shop Boys haben nach dem Unglück ihre Auftritte abgesagt und den Ort des Schreckens verlassen. War das richtig?
„Absolut. Ich bin sonst eher Anhänger von lebensbejahenden Konzepten und halte nichts von Wegrennen. On with the show, you know. Aber in diesem Fall hätte ich nicht die Kraft gehabt, mich auf die Songs zu konzentrieren. Terrible, terrible, terrible tragedy. Und das Schlimmste ist, dass sich nichts ändern wird. Man wird bei nächster Gelegenheit wieder Alkohol ausschenken und zulassen, dass sich die Leute zudröhnen, als Masse dumpf werden und nicht mehr zu beeinflussen sind.“
Alkoholverbot wie bei prekären Fußballspielen?
„Wär das Beste, ist aber wohl nicht durchsetzbar. Denn erstens verdienen die Veranstalter damit mehr als mit dem Ticketverkauf. Und zweitens ist es genau das, was viele Besucher solcher Festivals wollen: sich betäuben. Sich gehen lassen. Da sind Unfälle programmiert. Man hat mich neulich gefragt, ob ich dafür sei, dass Marihuana legalisiert wird, und ich sagte nein. Besser wäre es, die legalen Drogen wie Zigaretten und Alkohol zu verbieten. Alles illusorisch, ich weiß. Und nicht gerade populär. Aber ich wollte einen Denkanstoß geben. Schau dir die Leute an, die gegen die Legalisierung von Dope sind. Die finden nichts dabei, sich abzufüllen, bis sie dieses bisschen Empfindung, dessen sie noch fähig sind, auch ersäuft haben. Ich habe noch nie gehört, dass jemand nach einem Joint durchgedreht und einen Streit vom Zaun gebrochen hätte. Diese Alkoholinduzierten Kurzschlüsse werden gesellschaftlich zwar geächtet, ich meine, niemand findet es gut, wenn ein anderer zu einer Bedrohung wird. Und doch wird die Sauferei insgesamt durch die Gesetze sanktioniert. Ein krankes System. Dasselbe gilt für Zigaretten. Alle Welt weiß, was sie anrichten, aber kein Appell macht am Ende einen Unterschied. Ich weiß leider, warum das so ist. Ich habe ja selbst lange geraucht. Der Mensch an sich mag ein vernunftbegabtes Wesen sein, per se vernünftig ist er nicht Man lebt und lernt. Du siehst, ich bin ein unverbesserlicher Idealist.“
Ein sehr berühmter mittlerweile. How is fame treating you?
„Very well, thank you. Im persönlichen Umgang mit Menschen hat sich so viel gar nicht geändert. Ich habe einen sehr tiefsitzenden inneren Widerwillen gegen jede Art von Anbiederei und Schleimerei. Dougie, Neil und Andy ebenfalls. Wir nehmen den Wirbel, der jetzt um uns gemacht wird, kaum zur Kenntnis. Die eigentliche Kunst besteht doch darin, die Leute nicht vor den Kopf zu stoßen, ihre Kotaus aber zu ignorieren. Komisch wird es, wenn du den Rummel von außen beobachtest. Kürzlich zeigten sie im Fernsehen eine Dokumentation über das Glastonbury-Festival. 30 Jahre Glastonbury oder so ähnlich. Da war diese Szene im Büro des Veranstalters. Er war am Telefon und rief „We’ve got Travis!“, völlig aufgelöst, und du schaust dir das an und läufst einen Moment lang Gefahr, dich ein wenig größer zu fühlen. It’s kinda odd.“
Kommst Du bei Festivals noch dazu, Dir andere Bands anzusehen?
„Nein, leider nicht. Ich wollte unbedingt Gil Scott-Heron sehen, den ich sehr schätze. Und ein paar neuere Bands wie Muse und Coldplay, deren Platten ich mag. Aber es war einfach nicht drin, sobald ich mich dort unter die Leute mischte, wurde ich umringt und konnte mich nicht mehr bewegen. Geschweige denn verfolgen, was sich auf der Bühne tat. Du hörst auf, Franny Healy zu sein und bist plötzlich Fran Healy, eine öffentliche Person, derer sich jeder bedient. Leute nehmen deinen Arm und legen ihn sich um die Schulter. Was ich auf keinen Fall will, ist deshalb unfreundlich zu werden, aber selbst bei mir ist der Vorrat an Geduld irgendwann aufgebraucht. Nehme ich an. Daher will ich es so weit gar nicht erst kommen lassen. But it’s a nice problem to have. Weil es dich emotional bewegt. Wie die Frau, die während der Geburt ihres Kindes in der Klinik ,The Man Who‘ hörte, wie ein Arzt berichtet hat, der dabei war. That’s beautiful.“
Hat es Bands gegeben, die Dich ähnlich in ihren Bann zogen?
„Nein, es waren immer Songs, die die Welt für mich bedeuteten, nicht Bands. Klar, ich hatte auch Favoriten und besuchte Konzerte. The Cramps, House Of Love, eine ganze Menge. Aber weitaus wichtiger waren die Songs. Schon als ich ein kleiner Junge war. Ich hörte sie meine Mutter und meine Tante Babs singen. Und im Radio. ,Save Your Kisses For Me‘ liebte ich, lange bevor ich wusste, woher es kam. Es war einfach immer da, seit ich mich erinnern kann. Künstler kommen und gehen und sind eigentlich nicht mehr als Briefträger, die man nicht unbedingt kennen muss, die bloß benötigt werden, um die Songs zuzustellen. Es gab mal eine Zeit, da drehte sich der gesamte Musikbetrieb ausschließlich um Songs. Die Verfasser waren so gut wie anonym und man kaufte Musik auf Papier, das heißt den Text und die Noten. Erst viel später wurden Interpreten ins Rampenlicht gestellt, das Aussehen wurde wichtiger als die Musik. Heute dreht sich alles im Musikgeschäft um Image. Und der Motor ist Geld. It’s totally fucked up.“
Was genau ist es, das einen Song unvergesslich macht?
„Die Preisfrage. Joni Mitchell hat einmal gesagt, ein wahrhaft großer Song, der das Leben von Menschen beeinflusst und sich in ihren Herzen einnistet, muss mehrere Qualitäten in sich vereinigen. Er muss das Gefühl ansprechen, ohne die Intelligenz zu beleidigen, er muss eine starke, tragende Melodie haben und in die Beine gehen. Er muss ferner Humor haben und wahr sein, ein authentisches Lebenszeichen vom Songschreiber sozusagen. Ich stimme ihr zu. Und bei aller Bescheidenheit: Ein Song wie, sagen wir, ,Why Does It Always Rain On Me?‘ erfüllt all diese Kriterien. Jedenfalls sagen mir das die Leute. Es würde immerhin erklären, warum unsere Songs so nachhaltig ins öffentliche Bewusstsein gesickert sind. Ein schöner Gedanke.“
Du hast dafür den Ivor Novello Award erhalten, bist zum „Songwriter Of The Year“ gekürt worden. Von den zahllosen anderen Preisen, die auf Euch seit Monaten herabregnen mal ganz abgesehen. Du singst mit Paul McCartney, Elton John erzählt jedem, der es hören will, wie wunderbar Deine Songs sind. Was geht dabei in Dir vor?
„Nun, ich wünschte, ich könnte es mehr genießen. Es ist eine Ehre, wenn Paul McCartney deinen Song mit dir singt, und meine Mutter, die es im Fernsehen verfolgte, war ganz aus dem Häuschen. Aber es geht so schnell und sieht von außen sicher großartiger aus, als es für mich ist Ich fühle mich eher unwohl dabei. Es ist nicht so sehr das Zeremonielle, das mich stört, das auch, sondern der Umstand, dass es derzeit in Sachen Song-Komponieren keine ernst zu nehmende Konkurrenz gibt. Ich will nicht undankbar erscheinen, aber die Auszeichnung hätte doch eine ungleich größere Bedeutung, nicht zuletzt für mich, wenn es ein Dutzend Songwriter vom Format eines Paul McCartney oder Elton John geben würde. Then winning the Ivor Novello would be a big deal. But sadly, there’s nobody eise around. Zugespitzt gesagt.“
Vielleicht ist das ja der Schlüssel zu Eurem Erfolg: Die Songs sind konkurrenzlos.
„Yeah, gut möglich. Elton John sagte etwas in dieser Art, als er mir bei der Preisverleihung gratulierte. Keine Ahnung, wie ich es anders ausdrücken soll, aber all diese Elogen gingen völlig an mir vorbei. Ich weiß sie durchaus zu schätzen, weil ich weiß, dass sie ehrlich gemeint sind. Paul McCartney hat keinen Grund, mir irgend etwas vorzumachen, weder privat noch in public. But I’m not in any way starstruck, it feels dead normal. Ich weiß, das klingt anmaßend, aber es ist so. Während du da stehst und mit Paul McCartney ,Turn‘ singst, denkst du keine Sekunde daran, dass der Kerl neben dir mitverantwortlich ist für eine ganze Menge Songs, die dich dein gesamtes Leben schon begleiten. It’s nice, though.“
Und was ist mit den unangenehmen Typen, die bei solchen Galas herumhängen? Die Sorte, die Schleimspuren hinterlässt. Die Bullshitter und Profitgeier. Das Gesindel, dem die Gallaghers bei ähnlichen Gelegenheiten ihre Verachtung ins Gesicht gespuckt haben. Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass das Travis-Prinzip, allzeit freundlich gegenüber jedermann zu sein, auch da durchgehalten wird.
„Doch, es ist sogar besonders leicht Du sagst „Hello, nice to meet you“, und das war’s. Es ist durchaus angenehm, weil du weißt, dass du diese Figuren wahrscheinlich nie wieder sehen wirst. Und du bist froh darüber. Verbindlich zu sein hat doch etwas sehr Entwaffnendes. Du vergeudest deine Zeit nicht damit, dich mit Leuten zu reiben, die dir gleichgültig oder gar zuwider sind. Wirklich wichtig ist mir nur ein kleiner Zirkel: Familie, Freunde, die Jungs in der Band natürlich, und je mehr Zeit mir bleibt, mich in diesem Zirkel zu bewegen, desto besser fühle ich mich. Der Rest zählt nicht. There are all those arseholes out there but they don’t have any bearing on what we do.“
Vor jedem Gig, bevor Ihr auf die Bühne geht, bildet Ihr einen Kreis und umarmt einander wie ein Sportler-Team. Bedeutet dieses Ritual: Wir gegen den Rest der Welt?
„Ein wenig davon ist schon dabei, aber es ist vor allem ein Sichsammeln. It calms us down. Wir atmen gemeinsam tief durch, atmen alles Negative aus, das sich im Laufe des Tages so angesammelt hat, atmen das Gute ein. Einmal, in Boston, ging es aber buchstäblich nach hinten los. Jeremy, unser Keyboarder, ließ dabei einen so unsagbar übel riechenden Furz fahren, dass wir loslassen mussten und zum Ausgang rannten. Wir haben uns an ihm gerächt, indem wir dem Publikum davon erzählten. Jeremy war das furchtbar peinlich. Geschieht ihm recht.“
Ich habe Dich des öfteren beobachtet, wie Du Dich vor Konzerten allein in eine Ecke zurückziehst, die Augen geschlossen, und minutenlang etwas treibst, das für den Laien wie eine Art Meditation aussieht.
„Nein, nichts dergleichen. Ich gehe dann vor meinem geistigen Auge nur noch mal Gitarrengriffe durch. Ein paar Akkordfolgen sind reichlich vertrackt, und ich bin leider nur ein sehr mäßiger Musiker.“
Richtet Ihr Eure Setlist und den Grad der Intensität Eures Aupritts nach dem jeweiligen Publikum aus?
»Niemals. Egal, ob wir in einem kleinen Club außerhalb des UK auftreten oder vor zigtausenden Schotten, wir hängen uns immer voll rein. Anders wirst Du uns nie erleben. Natürlich gibt es keine Garantie, manche Shows glücken besser, andere hängen etwas durch. Doch am fehlenden Willen unsererseits liegt es bestimmt nicht. Wenn wir von der Bühne gehen, dann nur without any breath left in our lungs.“
Wie müssen wir uns das nächste Album vorstellen? Ist der Byrds-Sound von „Coming Around“ indikativ für das neue Material?
„Nicht unbedingt, aber es würde mich nicht wundern, wenn ein paar Tracks ein gewisses West-Coast-Feeling annehmen würden. Nicht nur, weil die LP in Los Angeles aufgenommen werden wird. Schon beim Schreiben drängte sich bei einigen Songs ein vages Folk-Rock-Klangbild auf. Bisher gibt es die 13 Songs nur als Demos zur akustischen Gitarre, aber einige haben in meinem Kopf schon konkretere Formen angenommen. Ein Song, dem ich den vorläufigen Titel „Shut The Folk Up“ gegeben habe, ist sehr folky, auf „Sing“ würde ich gerne ein 6-String-Banjo einsetzen, und es kann gut sein, dass ich hier und da Harmonica spielen werde. It’s gonna be the greatest fuckin‘ album ever made. Oder ein totales Fiasko. Ist noch ein bisschen früh für Prognosen. Sicher sind lediglich zwei Dinge. Erstens werden alle Tracks so um die drei Minuten lang sein, definitiv nicht länger. Wie die klassischen Aufnahmen der Beatles und Stones. Oder von Roy Orbison. 2 Minuten und 30 Sekunden, keinen Augenblick zerdehnt, jeder Moment bis zur Neige ausgekostet. Und nach dem Hören ist vor dem Hören. Instant Replay. Weißt Du noch, wie das war, als man ein und denselben Song zehnmal oder öfter hintereinander gehört hat? Da wollen wir wieder hin. Schlanke Stücke, kein Gramm Fett zu viel.
Sechs davon schreien geradezu danach, als Single veröffentlicht zu werden, sie haben diese speziellen Single-Tugenden. Aufnehmen werden wir das alles in einem Studio mit vintage Equipment. Analog natürlich, darauf legt Nigel besonderen Wert. Das Mischpult hat einmal Brian Wilson gehört. Er hat damit ,Pet Sounds‘ gemixt, stell Dir das vot. Dieses Studio ist ein Schrein. Mit den Drums und Keyboards, die dort herumstehen, wurden zahllose klassische Aufnahmen gemacht. Die haben ein Clavinet, das ich für ,Side‘ verwenden will. Drei Wochen lang werden wir uns dort einnisten, länger sollte man für kein Album brauchen. Die berüchtigten Versuchungen von L.A. haben keine Chance, uns auch nur für ein paar Stunden von den Sessions wegzulotsen. Wir sind unheimlich heiß drauf, dead excited.“
Ist die Band-Chemie dem enormen Druck, der nun auf Euch lastet, auf Dauer gewachsen? Sind da, siehe Oasis, Konfikte nicht unvermeidlich?
„Nein, unsere Situation ist nicht vergleichbar. Wir tragen nicht diese Bürde brüderlicher Hassliebe. Noel und Liam kennen das nicht anders, die haben sich schon immer gefetzt. Es ist wie bei einem Kochtopf, der ständig unter Feuer steht. Ab und zu fliegt dann halt der Deckel weg, wenn der Druck zu groß wird. Wir waren ja mit Oasis auf Tuchfühlung, als das mal wieder passierte. Keiner hat es kommen sehen, plötzlich war Noel weg. Aber ich bin mir sicher, dass sie sich wieder zusammenraufen, wie so oft.“
Liam sagt nein, weil Noel an einer Solo-Platte bastelt. Könnte das nicht auch für Euch einmal zum Problem werden?
Bestimmt nicht „Davis sind das Wichtigste in meinem Leben. Klar, es kann sein, dass wir eines Tages sagen: „Das war’s.“ Doch würde ich dann ganz aufhören, Musik zu machen. Ein Solo-Album käme für mich nicht in Betracht. Ich würde vielleicht in den Kunstbetrieb zurückkehren, mich mit Fotografie oder Film beschäftigen. Als Songwriter und Musiker ist diese Band alles, was ich je will.“
Sehen das die anderen drei ähnlich? Wäre doch möglich, dass sie es irgendwann leid sind, nur Deine Songs zu spielen.
„Natürlich, aber Travis bietet dafür ausreichend Raum. Dougie hat die B-Seite zu ,Coming Around‘ beigesteuert, Andy hat einen großartigen Song geschrieben, den wir aufnehmen werden, und Neil ist gerade Dad einer wunderhübschen Tochter geworden. Lola Primrose.“
Morgen also geht’s zurück nach Amerika. Wie lief es denn neulich, als Ihr in der David-Letterman-Show aufgetreten seid?
„It was great, he’s a very funny man. Nach unserem Auftritt kam er auf mich zu, streckte mir die Hand entgegen und rief „Hey, you’re Fran Healy.“ Ich sagte „yeah“, und er dröhnte: „Good for you!“
No kidding.