TRAVIS
Wenn diese vier Jungs etwas hassen, dann Ironie, Zweideutigkeit, Hintersinn. Die Spiegelfechterei überlassen Travis den U2s dieser Welt. Sie laufen nicht Gefahr, sich an ihrer eigenen Cleverness zu ergötzen und sich auf Umwegen zu verlieren. Travis nehmen den direkten Weg, straight to the heart.
Gleich der Show-Opener „Funny Thing“, halbakustisch und mit Intensität vorgetragen, jagt der Fan-Schar kalte Schauer über den kollektiven Rükken, und was darauf folgt, ist so sehr eine Zelebration des Rock wie eine Offenbarung von Schotten-Soul, schneeweiß zwar, aber deshalb nicht weniger innig als der schwarze Stoff aus Memphis oder New Orleans. Francis Healy singt sich die Seele aus dem Leib, ganz der Stärke seiner Songs vertrauend, intuitiv und ohne Allüren. Hin und wieder huscht ein Grinsen über sein Gesicht, wenn etwa Andys Gitarre in letzter Sekunde von einer Feedback-Exkursion zurückkehrt, gerade noch rechtzeitig, bevor der Refrain einsetzt und das Ventil vom Adrenalin-Boiler wegfliegt.
Dieser jugendliche Mangel an musikalischer Disziplin, der Übermut und die schiere Freude an der eigenen Energieentfaltung mag Schattenseiten haben, doch sind die eher zu vernachlässigen. „The Line Is Fine“ endet in dissonanter Repetition und mancher Song verdiente ein präziseres, Pop-sensibleres Ende, doch sind die Balladen herzzerreißend, die Rocker frei vom Bombast und Breitbeinigkeit. „U16 Girls“ ist nur vordergründig die ultimative Hurra-Hymne für den lad in uns, „1922“ perlender Folk-Rock, „Tied To The Nineties“ keine Beschwerde, denn die Eighties waren ja viel, viel schlimmen Pianist Zeb hält sich erfreulich zurück, nur auf „I Love You Anyways“ läßt er die Orgeltöne etwas zu lange im Raum stehen. Emphase braucht kein Sahnehäubchen.
Zur ersten Zugabe tritt Healy mit Klampfe an, in Noel-Manier, muß sich aber nicht wie dieser strecken und prüfen. Der Sänger Fran Healy ist wie der gleichnamige Songwriter ein Naturtalent, sein Gesang nuanciert, seine Songs ohne Arg. Und zum Schluß singt er „Tm so happy ‚cause you’re so happy“, und wir nehmen es ihm ab, weil es uns genauso geht. Good feeling? Guaranteed.